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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bunker
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wieder hinter mir geschlossen. Ich blicke mich um, das Bühnenbild, eine verfallene alte Mühle, durch kleine Fenster dringt Licht nach außen. Die Tür ist etwas geöffnet. Ich sehe noch mal zum Publikum. Kein Laut ist mehr zu hören, die Menge erstarrt. Die Menschenwand geht langsam, lautlos auf mich zu. Ich laufe zur Tür. Die Metalltür klemmt, lässt sich nicht weiter öffnen, ich muss mich hindurchzwängen.
    Ich gehe durch die Tür, die Bühne dreht sich und ich stehe in einem neuen Bühnenbild. Neben dem Sims ragen, an langen Nägeln hängend, Lampen aus der Mauer. Sie werfen Lichtkegel auf das steinerne Pflaster. Mein Blick wandert von einem der Kegel zum anderen. Hinter dem letzten Lichtkegel steht jemand im Halbdunkel vor einer geschlossenen Tür. Ich gehe auf ihn zu. Jetzt scheint er mich zu bemerken und fährt herum. In der einen Hand hält er ein Messer mit geschwungener Klinge, in der anderen ein rotgraues, schlauchiges Gebilde. Er lässt los, es fällt mit einem klatschenden Geräusch zu Boden. Dunkle breiige Masse quillt heraus, bildet einen kleinen See, der sich ausbreitet, die Ritzen zwischen den Steinen ausfüllt. Weiterläuft, sich langsam auf die angrenzenden Steine vorschiebt.
    Ich sehe nach oben. Dort baumelt ein ausgeweideter Körper, ein dünner Faden Blut rinnt unten heraus. Die Hand mit dem Messer hängt kraftlos herab.
    Er ist ein Mörder, er hat ihn ermordet. Wie ein Tier geschlachtet und ausgeweidet. Ich hatte Recht, er war es, er hat ihn ermordet.
    Mein Gott, was ist mit der? Die Haare zerzaust, das Gesicht knallrot, geschwollen und zerkratzt. Alles verdreckt. Zum Fürchten. Sie muss durch den Wald gelaufen sein. Den Weg habe ich abgesucht. Da war sie nicht. Mit dem Fiesta bin ich zurück bis zur Straße gefahren, ganz langsam. Immer wieder bin ich stehen geblieben, hab links und rechts den Wald abgesucht. Nichts. Ich hatte angefangen mich damit abzufinden, dass sie abgehauen ist. Wo hätte ich sie sonst noch suchen sollen? Quer durch den Wald laufen bringt nichts. Zumindest nicht alleine. Sie hätte überall sein können. Ich hätte nie gedacht, dass ich sie so schnell wiedersehe. War ja auch zu dämlich von mir, das Geschirr die Treppen runterzutragen und dann das Zusperren zu vergessen. Scheint in der Familie zu liegen. Vater hatte auch einmal vergessen abzuschließen. Wie es aussieht, machen wir in unserer Familie immer wieder dieselben Fehler. Mutter kam auch zurück. Glück gehabt.
    Aber irgendetwas stimmt mit der nicht. Ist die betrunken? Sie steht breitbeinig da und trotzdem torkelt sie herum, kann sich kaum aufrecht halten. Sieht aus, als würde sie das Gleichgewicht verlieren und nach vorne überkippen. Mensch, Mädel, reiß dich zusammen!
    Die Augen weit aufgerissen, sie funkeln schwarz, der Blick irre. Sie steckt den Arm ganz weit nach vorne und deutet mit dem Zeigefinger auf mich. Ich sehe unwillkürlich auf den Finger, der schwankt hin und her. Jetzt macht sie den Mund auf, und – sie bekommt kein Wort heraus. Auch ich steh da und glotze sie an. Wie sie vor mir steht mit offenem Mund, erinnert sie mich an eine Kröte. Mädel, wenn du weiter nur einatmest, wirst du platzen. Wie die Kröte mit der brennenden Zigarette im Maul. Bumms und weg ist sie, zerrissen in tausend Stücke.
    Sie fängt an, etwas vor sich hin zu murmeln. Erst leise, ich kann es nicht verstehen, höre nur Gebrummel und sehe, wie sie die Lippen bewegt. Dann wird sie lauter. Mein Gott, was will die? So blöd wie ein Stück Scheiße, erst abhauen und dann wieder zurückkommen. Und jetzt steht sie da und faselt wirres Zeugs. Die hat sie doch nicht mehr alle. Ich versteh nur »Du Bastard!« und »Brudermörder!«. Sie wird immer lauter, brüllt: »Zu Recht gab ich der Polizei deinen Namen.« Wie sie das sagt … »Ich zweifelte an mir, glaubte schon an meine eigene Schuld.« Als würde sie Theater spielen … »Aber du warst es, du, nur du. Du!« Alles so unecht, so künstlich. »Jahrelang schlechtes Gewissen, nur deinetwegen, du Nichtsnutz.«
    Dann bricht sie völlig zusammen. Heult, schreit, schluchzt. Die ist total durchgeknallt.
    »Halt deine Schnauze jetzt, sonst knallt es!«
    Sie hört nicht mehr auf, brüllt mich weiter an, schreit wie wild immer das gleiche Wort: Du Bastard! Sie läuft los, rennt auf mich zu. Ihr Körper bebt, weit holen die Arme aus. Was will sie? Ist die noch ganz sauber? Die spinnt.
    Sie hat die Augen geschlossen.
    Sie läuft in meine Faust.
    Ich liege da, auf dem Bauch,

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