Scherben der Ehre
Boden angehalten hatten. Vorkosigan knackte ein Kaltlicht und übernahm seine gewöhnliche Wache, während Cordelia auf der Erde lag und beobachtete, wie über ihr die unerreichbaren Sterne ihre Kreisbahn zogen.
Vorkosigan hatte gebeten, vor der Morgendämmerung geweckt zu werden, aber sie ließ ihn schlafen, bis es ganz hell war. Ihr gefiel nicht, wie er aussah, abwechselnd bleich und gerötet, und auch sein flacher, schneller Atem gefiel ihr nicht.
»Meinen Sie nicht, Sie sollten lieber einen von Ihren Schmerzstillem nehmen?«, fragte sie ihn, als er sich erhob, denn er schien kaum Gewicht auf das Bein legen zu können, das jetzt noch viel stärker geschwollen war.
»Noch nicht. Ich muss mir welche für das Ende aufheben.« Er schnitt sich statt dessen einen langen Stock, und die drei begannen ihre Tagesaufgabe: ihre Schatten einzuholen.
»Wie weit ist es bis zum Ziel?«, fragte Cordelia.
»Ich schätze einen Tag, vielleicht anderthalb Tage, je nach der Strecke, die wir schaffen können.« Er verzog das Gesicht. »Machen Sie sich keine Sorgen. Sie werden mich nicht tragen müssen. Ich bin einer der fittesten Männer in meinem Kommando.« Er hinkte weiter. »Von denen über vierzig.«
»Und wie viele Männer über vierzig gibt es in Ihrem Kommando?«
»Vier.«
Cordelia prustete.
»Auf jeden Fall, wenn es notwendig werden sollte, dann habe ich noch ein Stimulans in meinem Beutel, das eine Leiche wiederbeleben würde. Aber ich möchte es mir auch für den Schluss aufheben.«
»Welche Art von Schwierigkeiten erwarten Sie?«
»Es hängt alles davon ab, wer meinen Ruf auffängt. Ich weiß, dass Radnov – mein Politischer Offizier – mindestens zwei Agenten in meiner Kommunikationsabteilung hat.« Er verzog die Lippen und blickte Cordelia wieder abschätzend an.
»Wie Sie sehen, denke ich nicht, dass es eine allgemeine Meuterei war. Ich glaube, es war ein spontaner Attentatsversuch von Seiten Radnovs und ein paar anderen. Indem sie euch Betaner benutzten, dachten sie, sie könnten mich loswerden, ohne dass sie selbst damit in Verbindung gebracht werden würden. Wenn ich Recht habe, dann denken alle an Bord des Schiffes, ich sei tot. Alle bis auf einen.«
»Welchen?«
»Das wüsste ich ja gerne. Es ist derjenige, der mich auf den Kopf schlug und mich im Farn versteckte, anstatt mir die Kehle durchzuschneiden und mich in das nächste Loch zu werfen. Leutnant Radnov scheint einen Doppelagenten in seiner Gruppe zu haben. Und doch – wenn dieser Doppelagent mir gegenüber loyal wäre, dann wäre alles, was er tun müsste, es Gottyan zu erzählen, meinem Ersten Offizier, und der hätte schon längst eine loyale Patrouille heruntergeschickt, um mich zu holen. Also, wer in meinem Kommando ist jetzt so verwirrt in seinem Denken, dass er beide Seiten zugleich betrügt? Oder gibt es etwas, das mir entgeht?«
»Vielleicht jagen sie alle noch mein Schiff«, mutmaßte Cordelia.
»Wo ist Ihr Schiff?«
Ehrlichkeit wäre jetzt sicher bloß akademisch, überlegte Cordelia. »Weit auf seinem Rückweg nach Kolonie Beta.«
»Es sei denn, es wurde gekapert.«
»Nein. Es war außerhalb eurer Reichweite, als ich mit meinen Leuten sprach. Sie mögen nicht bewaffnet sein, aber hinsichtlich der Geschwindigkeit können sie Ihren Schlachtkreuzer in die Tasche stecken.«
»Hm. Na ja, das ist möglich.«
Er ist nicht überrascht , bemerkte Cordelia. Ganz bestimmt bekämen unsere Leute von der Gegenspionage Bauchweh, wenn sie seine geheimen Berichte über unsere Ausrüstung lesen könnten . »Wie weit werden sie es verfolgen?«
»Das liegt bei Gottyan. Wenn er zu dem Schluss kommt, dass er nicht mehr die Möglichkeit hat, Ihr Schiff einzuholen, dann wird er auf die Vorpostenstellung zurückkehren. Wenn er aber meint, er kann es einholen, dann wird er die größten Anstrengungen unternehmen.«
»Weshalb?«
Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Darüber kann ich nicht reden.«
»Ich sehe nicht ein, warum nicht. Ich werde nirgendwo anders hingehen als in eine barrayaranische Gefängniszelle, für eine Weile. Komisch, wie die eigenen Maßstäbe sich ändern. Nach diesem Marsch wird mir die Zelle wie ein Ort des Luxuslebens erscheinen.«
»Ich werde versuchen dafür zu sorgen, dass es nicht dazu kommt«, sagte er lächelnd.
Seine Augen beunruhigten sie, und sein Lächeln. Seiner Schroffheit konnte sie mit ihrer eigenen Schnoddrigkeit begegnen und Paroli bieten, mit der sie sich wie mit einem Florett verteidigte. Seine
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