Scherben der Ehre
herauszufinden, wie die Öffentlichkeit ihrer Heimat seine Rolle sah.
Entsetzt entdeckte sie, dass seine Zusammenarbeit mit der interstellaren Untersuchungskommission die betanische und escobaranische Presse dazu verleitet hatte, ihm die Schuld für die Behandlung der Gefangenen zuzuschieben, wie wenn er von Anfang an für sie verantwortlich gewesen wäre. Die alte falsche Komarrgeschichte wurde breitgetreten, und sein Name wurde überall verunglimpft. Die Ungerechtigkeit der ganzen Sache machte sie wütend, und sie gab angewidert das Anschauen der Nachrichten auf.
Endlich kamen sie in den Orbit von Kolonie Beta, und sie suchte den Navigationsraum auf, um einen Blick auf ihre Heimat erhaschen zu können.
»Da ist endlich der alte Sandkasten.« Der Kapitän holte ihr fröhlich eine Ansicht auf den Schirm. »Man schickt ein Shuttle herauf für Sie, aber jetzt herrscht ein Sturm über der Hauptstadt, und das Shuttle wird zurückgehalten, bis der Sturm so weit nachgelassen hat, dass die Schutzschirme am Raumhafen gesenkt werden können.«
»Ich kann wohl damit warten, meine Mutter anzurufen, bis ich unten bin«, bemerkte Cordelia. »Vermutlich ist sie jetzt noch bei der Arbeit. Kein Grund, sie dort zu stören. Das Krankenhaus ist nicht weit weg vom Raumhafen. Ich kann mir einen hübschen entspannenden Drink genehmigen, während ich darauf warte, dass sie mit ihrer Schicht fertig ist und mich abholt.«
Der Kapitän blickte sie eigenartig an. »Hm, ja klar.« Schließlich traf das Shuttle ein. Cordelia schüttelte allen die Hand, dankte der Kuriermannschaft für den Flug und ging an Bord des Shuttles. Die Stewardess des Shuttles begrüßte sie mit einem Stapel neuer Kleider.
»Was ist denn das alles? Himmel, endlich die Uniformen der Expeditionsstreitkräfte! Vermutlich besser spät als nie.«
»Warum ziehen Sie sie nicht an«, drängte die Stewardess und lächelte merkwürdig.
»Ja, warum nicht.« Sie hatte schon beträchtliche Zeit ein und dieselbe geborgte escobaranische Uniform getragen und war ihrer völlig überdrüssig. Sie nahm das himmelblaue Tuch und die glänzenden schwarzen Stiefel amüsiert an sich. »Warum, in Gottes Namen, Stulpenstiefel? Es gibt kaum Pferde auf Kolonie Beta, außer in den Zoos.
Ich gebe allerdings zu, sie sehen toll aus.«
Da sie feststellte, dass sie der einzige Passagier im Shuttle war, zog sie sich auf der Stelle um. Bei den Stiefeln musste ihr die Stewardess helfen.
»Derjenige, der sie entworfen hat, sollte gezwungen werden, sie auch im Bett zu tragen«, murmelte Cordelia. »Oder vielleicht tut er’s auch.«
Das Shuttle sank hinab, und Cordelia ging ans Fenster, begierig auf den ersten Blick auf ihre Heimatstadt. Der ockerfarbene Dunstschleier teilte sich endlich, und sie gingen in einer schönen Spirale hinab zum Shuttlehafen und rollten zur Andockbucht.
»Es scheinen heute eine Menge Leute da draußen zu sein.«
»Ja, der Präsident wird eine Rede halten«, sagte die Stewardess. »Es ist sehr aufregend. Auch wenn ich nicht für ihn gestimmt habe.«
»Steady Freddy hat so viele Leute als Zuhörer für eine seiner Reden zusammengebracht? Macht nichts. Ich kann mich ja in die Menge mischen. Das Ganze wird ein bisschen pompös. Ich glaube, ich wäre heute lieber unsichtbar.«
Sie spürte, wie die Enttäuschung begann, und fragte sich, wie tief sie wohl gehen würde. Die escobaranische Ärztin hatte zwar nicht mit ihren Fakten recht gehabt, aber doch mit ihren Prinzipien: es gab noch eine emotionale Schuld abzutragen, die irgendwo in ihrem Innern verborgen war.
Das Heulen der Motoren erstarb. Cordelia erhob sich und dankte der lächelnden Stewardess unsicher. »Es wartet doch hoffentlich dort draußen k-kein Empfangskomitee auf mich, oder? Ich glaube wirklich nicht, dass ich damit heute fertig würde.«
»Sie werden Unterstützung erhalten«, beruhigte die Stewardess sie. »Ah, hier kommt er schon.«
Ein Mann in einem zivilen Sarong betrat das Shuttle und lächelte breit. »Guten Tag, Captain Naismith. Ich bin Philip Gould, Pressesekretär des Präsidenten«, stellte er sich vor. Cordelia war entgeistert – Pressesekretär war ein Kabinettsposten. »Es ist mir eine Ehre, Sie zu begrüßen.«
Sie kapierte schnell. »Sie p-planen doch nicht etwa eine Art Hund-und-Pony-Show da d-draußen, oder? Ich m-möchte wirklich einfach nach Hause gehen.«
»Nun ja, der Präsident hat vor, eine Rede zu halten. Und er hat eine Kleinigkeit für Sie«, sagte er besänftigend.
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