Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Mädchen ihm so überlegen war?
Vanessa wurde plötzlich seltsam ernst. »Siehst du mich l achen?«
Jonas schüttelte verständnislos den Kopf. Sollte er seinen noch unausgereiften Plan tatsächlich in die Tat umsetzten wollen, durfte sie unter keinen Umständen etwas ahnte und womöglich jemandem davon erzählte. »Was ist nur in dich gefa hren?«
»Du siehst mich so an …«
»Du bist ja verrückt geworden!«
Vanessa lächelte plötzlich, doch es war leer und tot und e rreichte nicht ihre funkelnden Augen. »Kann schon sein.«
Jonas konnte nicht mehr anders, jetzt setzte er alles auf e ine Karte. »Ich mache mir Sorgen um Thox.«
Vanessa runzelte die Stirn. »Ach ja? Warum?«
»Er geht immer noch nicht an sein Telefon.«
Nun sah sie wieder gelangweilt zum Fernseher. »Vie lleicht will er nicht mit dir reden?«
»Ist das so?«, hakte er nach. Es musste doch eine Möglic hkeit geben, etwas aus ihr herauszubekommen. Sie konnte ihn doch nicht die ganze Zeit für dumm verkaufen!
Doch sie blieb desinteressiert. »Woher soll ich das wi ssen?«
»Sag du es mir.«
Vanessa stöhnte genervt und sah ihn an. »Weißt du was, Jonas? Wenn du dir so große Sorgen um deinen Busenfreund machst, warum fährst du dann nicht zu ihm? So wie ich ihn kenne wird er sich riesig freuen, dich zu sehen!«
So wie sie ihn kannte? »Warum sagst du das?«
»Weil ein Blinder sehen kann, dass ihr keine Freunde seid, Jonas. Der will dich in seiner Nähe haben wie einen Herpes. Warum lässt du ihn nicht einfach in Ruhe?«
Weil er Thox brauchte! Ihre Freundschaft war längst gestorben, doch es war noch nie seine Stärke gewesen, wirklich loszulassen. Er trug die Schätze und die Krankheiten der Vergangenheit mit sich herum, und Thox war der Einzige, mit dem er dies teilen wollte. Und dafür war Jonas bereit, alles in Kauf zu nehmen …
Kapitel 15
Heute
Freitag, 08. August
N och bevor er die Lagerhalle betrat, wusste Jonas, dass hier etwas nicht stimmte. Die Tür war nur angelehnt, um ihn herum und in dem Gebäude wirkte es ruhig und wie ausgestorben.
Tot.
Vorsichtig, beinahe angewidert, stieß er die Wohnungstür mit dem Fuß auf – ganz so, als erwarte er dahinter eine Pestwolke, die ihn ins Verderben zerren würde. Sie öffnete sich mit einem unheilvollen Quietschen, und Jonas kam der Gedanke, dass dies die Ankündigung für den Trümmerhaufen einer Katastrophe war, die ihn im Inneren dieses Gebäudes unausweichlich erwartete. Die Tür verharrte schließlich und gab Jonas die Sicht auf die Wohnung frei – doch er hatte den Blick gesenkt. War er bereit, sich der Wahrheit zu stellen? Doch die besitzergreifende Stille, die ihn plötzlich umschloss, ließ ihn schließlich aus seiner apathischen Untätigkeit erwachen. Er wollte, er musste sehen, was hier geschehen war, nur dann konnte er verstehen, in welcher Situation er sich befand und entscheiden, was nun zu tun war.
In Bezug auf Vanessa.
Und in Bezug auf Maria.
Jonas hob den Blick und trat mit unsicheren Beinen in die umgebaute Lagerhalle, in der er sonst stets seinen besten Freund Thox vorgefunden hatte – außer heute. Die Luft war schwer und warm, sie roch nach Schweiß und Angst. Er spü rte, wie sein Magen zu rebellieren begann. Ein dünner Schweißfilm legte sich nun auch über sein Gesicht, über seinen ganzen Körper. Er spürte, wie das Verderben schon jetzt begann, sich um ihn zu legen wie eine ungewollte Umarmung. Jonas benötigte nicht seine Augen, um zu erkennen, dass hier etwas Schreckliches passiert war. Und doch benutzte er sie, tastete mit ihnen die vertraute Umgebung ab und blieb schließlich an einer dunklen Spur auf dem hellen Boden hängen. Wie ein Fleischerhaken in seinen Magen grub sich das Bild in sein Gehirn. Doch er konnte nicht anders, er musste näher herangehen, um ganz sicher zu sein, dass es sich bei der dunklen Spur um das handelte, was er befürchtete. Seine dumpfen Schritte waren die einzigen Geräusche, die innerhalb dieser Mauern zu hören waren, und jeder einzelne erschreckte ihn immer wieder von neuem.
Die Möbel waren umgestellt worden, doch es wurde Jonas erst bewusst, als er die bräunliche Schleifspur beinahe mit den Füßen berührte. Sie endete unter einem Sessel, und er erinnerte sich daran, dass er vorher an einem anderen Platz gestanden hatte. Er konnte sich denken, warum das so war und was sich unter dem Möbelstück befand, doch seine br odelnde Magensäure hielt ihn davon ab, sich mit seinen eigenen Augen davon
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