Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
steigenden Wut. Als er dann zu ihm sah, hatte dieser wieder die Waffe gehoben. Doch diesmal drückte er sie nicht in Marias Rippen, sondern an ihre linke Schläfe. Ihr Körper zuckte in stummen Schluchzern auf und ab.
»Thox, nicht!«, brüllte Jonas. Er würde es nicht zulassen, dass er ihm Maria nahm. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Thox musste nur einen Fehler machen, und dann würde er Jonas‘ Wut am eigenen Leibe zu spüren bekommen.
Thox verzerrtes Gesicht zeigte einen Anflug von drängendem Nachdruck. »Du liebst sie wirklich, stimmt‘s?«
Jonas‘ Wut explodierte. Er wollte Thox zerreißen, zerst ören, zerfetzen, wie er es mit ihrer Freundschaft getan hatte! »Was fällt dir ein, mir so etwas zu unterstellen, du verdammter Hurensohn?«, brüllte er ihn an. Sein zorniger Tunnelblick ließ ihn alles andere vergessen. »Hältst du mich für so ein Weichei? Für so einen Schwächling wie du es bist, der jeder Möse hinterher heult und dafür seinen besten Freund vernachlässigt? Ich bin nicht so ein erbärmlicher Versager wie du, ich lasse mir mein Leben nicht von irgendeiner Möse diktieren!«
Doch Vanessas Worte brachten ihn schließlich zum Schwe igen. »Ja, das tut er. Er liebt sie!« Sie ging an Jonas vorbei und auf Thox zu. Alle Aufmerksamkeit lag nun auf ihr.
»Verdammtes Miststück!«, brüllte Jonas und griff nach ihr, bekam aber nur den Hauch ihrer Körperwärme zu fassen.
Als sie spürte, was Jonas versucht hatte, warf sie ihm einen kalten Blick über die Schulter hinweg zu – bevor sie sich zu Thox stellte. Jonas beobachtete ihr Tun mit wachsender Verwirrung. Als Vanessa neben Thox stand, näherten sich ihre Lippen seinem Ohr. Dort wisperte sie mit ruhigen, gewählten und deutlichen Worten: »Erschieß sie, Thox!«
Es dauerte einige Augenblicke, bis Jonas in der Lage war, seinen offen stehe nden Mund wieder zu schließen. Er musste sich verhört haben! War Vanessa verrückt geworden? Waren in diesem Raum denn alle wahnsinnig?
Ein zartes, unschuldiges Lächeln streichelte ihre Mundwi nkel, doch es wollte so gar nicht zu ihrem stechenden Blick passen. »Wie ich schon sagte, Jonas, ich bin auf meiner Seite. Zufällig ist das aber die gleiche Seite, auf der sich auch Thox befindet!«
Jonas‘ Blick huschte von Vanessa zu Thox und dann zu M aria, die immer noch zitterte wie in einer Tiefkühltruhe und ihn aus großen, angsterfüllten Augen anstarrte. Alleine ihr Anblick hielt ihn davon ab, unkontrolliert zu handeln. Dabei war Jonas doch sonst ein Meister der Selbstbeherrschung! Diese jahrelang mühsam antrainierte Fähigkeit konnte ihm doch nicht innerhalb eines Abends vollständig abhanden gekommen sein!? Und trotzdem brüllte alles in ihm danach, Thox das Herz herauszureißen. Und was er Vanessa alles antun wollte, daran durfte er gar nicht erst anfangen zu denken.
»Ich …«, begann er und suchte verzweifelt nach Worten, b evor er neu ansetzte. »Vanessa, ich habe dich nie schlecht behandelt, du blöde Kuh, nicht so wie er. Er hat dir mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, eben gerade! Wie kannst du dich auf seine Seite stellen?«
Vanessa sah kurz zu Thox, dann griff sie beinahe zärtlich an ihre Wange. »Vielleicht gerade deshalb«, sagte sie etwas verklärt an Jonas gerichtet.
Er spürte, wie die Rage erneut in ihm hochkroch. Diese dämliche Schlampe! Und dann dieses heuchlerische Verräterschwein, der sich Freund schimpft. Sein bester Freund – für den Arsch! Und Maria zwischen ihnen, in ihrer Gewalt, abhängig von Vernunft, Verstand und Schicksal. Wenn nur diese Wut nicht wäre! Sie war eine Krankheit. Sie nahm Besitz von Jonas, schüttelte ihn wach, trieb ihn in den Wahnsinn.
Es war eine befriedigende Genugtuung für Vanessa, die Angst und die Hilflosigkeit in Jonas Gesicht zu sehen. Das hatte sie sich so sehr gewünscht! Dieser Anblick war die letzten Tage, ja sogar die letzten Monate wert gewesen! Die Zuneigung für Maria, zwar in den Hintergrund getreten, aber ebenfalls in seinem Gesicht zu lesen, tat ihr nicht mehr weh. Das hätte sie vielleicht, wenn sie nicht Thox an ihrer Seite wüsste, doch Vanessa hatte endlich begriffen, dass sie ohne Jonas‘ Zuneigung besser aufgehoben war. Arme Maria! Ob sie wohl auch schon die Wut kannte, die sich in diesem Augenblick neben der Angst und der Liebe in sein Gesicht am deutlichsten abzeichnete?
Thox sah kurz zu ihr, und seine Augen funkelte sie wi ssend an. Auch sie hatte dieses Wissen und es fühlte sich gut an. Dann
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