Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
nie jemand hierher verirrte – konnte sicher sehr prickelnd sein. Leidenschaftlich würde er sie in eine enge Ecke stoßen. Bestimmt gab es irgendwo eine Kante oder Ecke, an der sie sich immer wieder den Kopf anschlagen würde … Schnell versuchte Vanessa, an etwas anderes zu denken. Jonas würde vermutlich nicht ausgerechnet an diesem Ort ihr Vertrauen zu ihm entdecken.
»Machen wir heute Abend was zusammen?«, fragte sie schließlich in freudiger Erwartung.
Er zögerte. Seine gute Laune schien plötzlich verflogen. »Ich … es tut mir leid, aber ich kann nicht.«
Vanessas Lächeln war wie aus dem Gesicht gewaschen. »Oh, schon in Or dnung.« Und da war es wieder, das Gefühl der Zurückweisung. Es fraß sich erneut in ihre Eingeweide wie ein Wurm durch einen faulen Apfel.
»Es ist nicht so, dass ich nicht will, aber ich … ich habe da … eine Verpflic htung.«
Vanessa bemerkte, dass er sie nicht ansah. Er wirkte ang espannt und irgendwie … besorgt. Schreckliche Vorstellungen okkupierten ihr Gehirn. Hatte er etwa ein Kind? Eine Ehefrau? Beides? Verpflichtung klang jedenfalls nicht gut.
»Sollte ich erfahren, was es ist?«, fragte sie offen heraus. Doch Jonas machte e ine abwertende Handbewegung. Sein Gesichtsausdruck blieb jedoch hart. »Nur ein alter Freund. Er hat Geburtstag, und ich muss …«
»Verstehe …« Enttäuscht drehte sie sich von ihm weg. Er sollte nicht sehen, wie sehr es sie kränkte, dass er sie nicht fragte, ob sie mitkommen wolle. Denn das wollte sie, sie wollte seinen Freund kennenlernen. Immerhin war sie seine Freu ndin. »Oder …«, begann sie.
»Nein!«, unterbrach Jonas sie bestimmend.
»Wie bitte?«
Jonas schien beschämt über seine schnelle Absage, doch sein Gesicht blieb entschlossen. »Du solltest besser nicht mi tkommen.«
Vanessa ging einen Schritt auf ihn zu und zuckte mit dem Schultern. »Wieso nicht?«
Jonas mied weiterhin ihren Blick. »Er kennt dich nicht.«
»Soll er mich denn nicht kennenlernen?«
»Du hast ja keine Ahnung, was du da verlangst.«
Vanessa wusste nicht, wie sie die Veränderung in seiner Stimme deuten sollte. »Schämst du dich etwa für mich?«
Jonas zog verstört die Augenbrauen zusammen. »Wie kommst du auf den Blödsinn?«
Vanessa bemerkte, dass er nach ihrer Hand greifen wollte und vergrub sie schnell abwehrend in ihren Hosentaschen. Im Augenblick rief die Vorstellung an seine Berührung eine tiefe Abneigung in ihr hervor. »Tust du‘s oder tust du‘s nicht?«, bohrte sie nach.
»Natürlich schäme ich mich nicht für dich!«
Wieder zuckte sie mit den Achseln. »Was ist es dann?«
Jonas ignorierte die Hände in ihren Taschen und berührte ihren Arm. Sie zuckte nicht zurück. »Das ist eine lange Geschichte, Vanessa. Es ist nicht deinetwegen, sondern seinetwegen.«
»Du schämst dich für deinen Freund?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe nie behauptet, dass ich mich schäme«, sagte er mit Nachdruck.
Vanessa sah ihn nur fragend an.
»Thox und ich … uns verbindet eine … Geschichte. Ich will dich auf keinen Fall mit reinziehen«, erklärte er zögerlich. »Dann geh nicht hin!«, bat sie ihn. Sie kam sich albern vor, doch seine rätselhaften Andeutungen beunruhigten sie.
Jonas ließ ihren Arm los und drehte sich um. »Du verstehst das nicht. Ich habe keine Wahl«, sagte er gezwungen. Er klang dabei wie jemand, der am letzten Tag vor Weihnachten noch Geschenke besorgen musste. Aber nicht wie jemand, dem man eine Pistole an die Schläfe drückte. Vielleicht ve rband ihn mit diesem Freund – Thox einfach –nicht mehr die gleiche Freundschaft wie früher, und keiner von beiden war in der Lage, sich dies einzugestehen. Und so wurde ein Geburtstag zu einem unangenehmen Pflichtbesuch und nicht zu einer rauschenden Party mit Anekdoten aus vergangenen Zeiten.
Vanessas Bedenken waren verflogen. »Ich komme einfach mit!«
»Vanessa …«
Doch sie war nicht bereit, sich abschieben zu lassen. »Es gibt nichts, was mich abhalten kann. Verstanden?«
»Vanessa, wirklich …«
»Verstanden?«
Jonas wendete sich von ihr ab. »Du bist eine Nervensäge!«
Sie grinste, obwohl er es nicht sehen konnte. »Ich werte das als ja.« Es bereitete ihr eine gewisse Genugtuung, ihren Wi llen bekommen zu haben. Das passierte nicht sehr oft.
Doch Jonas schien ihr diesen Sieg nicht zu gönnen. »Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!«, warnte er sie mürrisch, bevor er den Druckerraum verließ.
Noch bevor Thox
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