Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
zuhörte, doch sein fürsorgl icher Blick machte sie nervös. »Es ist nichts passiert. Zumindest nicht zuletzt«, sagte sie und bemühte sich zwanghaft, ihm nicht in die Augen zu sehen.
Sorgenfalten gruben sich in seine Stirn. »Was meinst du?«
»Du verunsicherst mich, Jonas. Dein Desinteresse an Sex macht mir Angst«, begann sie zögerlich, unsicher, ob das wirklich ein sinnvoller Einstieg war.
»Angst?«
Sie zuckte beschwichtigend mit der Schulter. »Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich weiß nur nicht … ich bin mir nicht sicher, was du von mir willst.«
Zuerst reagierte Jonas nicht und blickte sie ausdruckslos an. Doch dann legte sich offenes Unverständnis auf sein Gesicht. »Ausgerechnet Sex offenbart dir, was jemand von dir will?«
Vanessa rieb sich die Stirn. Langsam keimten erneut Zweifel in ihr auf, ebenso wie die bohrende Frage, warum sie nicht einfach versuchte, auf normalem Wege glücklich zu werden. »Nein, Jonas. Aber kein Sex lässt auf kein Interesse schließen. Ich weiß, es klingt nicht besonders logisch, aber kannst du es nicht vielleicht ein wenig verstehen?«
Jonas sah sie lange an. Schließlich nickte er widerwillig. »Doch, ich schätze schon. Aber du kannst mir glauben, ich meine es ernst. Ich will mit dir zusammen sein.«
»Wirklich?« Vanessa wollte ihm so gerne glauben, doch der Mensch, der tief in ihrem Inneren hockte und sie steuerte, ließ es einfach nicht zu. Es gab nichts, keine Beweise, keine Gesten, die seine Worte glaubwürdig erscheinen ließen.
Als könnte er ihren inneren Tumult nachempfinden, rutschte Jonas dichter an sie heran und nahm sie in den Arm. Er ve rsuchte nur, sie zu beschützen, doch das war es nicht, was Vanessa wollte. »Ich würde dich niemals anlügen. Nicht bei einer so wichtigen Sache. Was ist nur mit dir passiert, dass du so misstrauisch geworden bist?«, flüsterte er besorgt ins Ohr.
Ermattet legte Vanessa ihren Kopf auf seine Schulter. Ihr G esicht von ihm abgewendet sprach sie endlich die schmerzlichen Worte aus. »Mein Ex-Freund, Lennart, ich habe ihm vertraut. Mehr als vielen anderen. Das Ende war schrecklich, für uns beide.« Mehr konnte sie nicht sagen. Es war nicht das, was sie sich vorgenommen hatte, doch ihren Plan, ihn in ihre Abgründe einzuweihen, hatte sie verworfen. Etwas an Jonas machte es ihr einfach unmöglich, die Worte auszusprechen, die darüber entscheiden würden, ob er mit ihr zusammen bleiben wollte oder nicht. Sie konnte es einfach nicht. Noch nicht. Für einige Zeit wollte sie sich einfach vormachen, dass alles in Ordnung sei.
Behutsam streichelte Jonas über ihr Haar, das so dunkel war wie ihr Geheimnis, während Vanessa versuchte, etwas Fri eden zu finden.
»Ich weiß nicht, was er dir angetan hat, aber ich bin nicht wie er. Ich würde dich niemals anlügen. Ich weiß, dass das Ve rtrauen eines anderen Menschen ein wertvoller Schatz ist, und ich würde niemals riskieren, dieses Geschenk zu verlieren. Mehr als das, mehr als Worte, kann ich dir im Moment aber nicht geben.«
Vanessa nickte, dennoch spürte sie Verbitterung. »Warum nicht?«
»Weil auch mir Vertrauen wichtig ist. Ich möchte nicht mit jemandem schlafen, der mir nicht vertraut. Nenne mich ruhig altmodisch.«
Sie grinste schwach. »Altmodisch«, witzelte sie.
Auch Jonas lächelte. »Mir egal.«
Schließlich gab Vanessa auf. »Okay. Ich werde mir Mühe geben«, versprach sie und meinte es ehrlich. Ob es ihr jedoch gelingen würde, das war eine andere Sache. Sie schmiegte sich in seinen Arm und schloss müde die Augen. Egal, wie diese Gespräche mit Jonas auch endeten, danach hatte sie immer das Bedürfnis zu schlafen. Und während sie langsam in einen leichten Schlaf davon dämmerte, begleiteten sie se ine Worte, als er leise und mit vibrierender Stimme flüsterte: »Du wirst es niemals bereuen, das verspreche ich!«
14 Jahre früher als heute
Freitag, 22. Juli
Ein weiterer heißer Tag in Lübbewirtz ging zu Ende. Nicky und Conny hatten den Nachmittag im Wald verbracht und versucht, Vögel mit Rattengift zu füttern, das Conny seiner Mutter aus dem Küchenschrank stibitzt hatte. Doch selbst die Vögel waren bei dieser Hitze zu träge, sich auf den tödlichen Köder einzulassen.
Conny hatte von seinem Vater die Auflage bekommen, j eden Abend spätestens um sieben Uhr zu Hause zu sein, und obwohl in Conny ein Rebell schlummerte, versuchte er, sich an diese Anweisungen zu halten. Es machte das Leben in einigen Punkten
Weitere Kostenlose Bücher