Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
wundern schien, warum er nicht längst auf seinem Schimmel erschienen war, um sie aus den Klauen des Monsters zu befreien. »Hast du mir nicht zugehört? Er weiß es.«
Doch Vanessa schüttelte den Kopf. »Ich glaube dir nicht. Du willst mich nur mürbe machen, mich an Jonas zweifeln la ssen. Aber Jonas liebt mich.«
Thox zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Das macht ke inen Unterschied.« Er wollte so gerne resignieren, einfach die Aussage verweigern und Vanessa in der Brühe ihrer eigenen Unwissenheit schmoren lassen. Doch er konnte es nicht ertragen, Jonas von ihr so auf ein Podest gestellt zu sehen. »Wenn du Jonas wirklich kennen würdest, dann könntest du sehen, wie falsch du liegst.«
»Immer diese beschissenen Andeutungen!«
»Ich mache keine Andeutungen. Du musst nur genau hinhören! Dann wüsstest du längst Bescheid.«
»Bescheid worüber?«
Thox hätte beinahe genervt die Augen verdreht. »Über Jonas und sein wahres Gesicht. Über deine Naivität, denn du bist auf einen Blender hereingefallen. Und deine Blindheit, denn du verschließt dich vor der Wahrheit.«
»Ach, jetzt bin ich das Problem?«
»Dürfte ja nicht das erste Mal in deinem Leben sein.«
Vanessa wirkte nachdenklich, ihre Stirn war gekräuselt, ehe sie sich wieder ihrer eigentlichen Absicht besann. »Tja … wie ich sagte. Andeutungen. Mehr nicht. Wie kannst du von mir erwarten, dass ich dir glaube, wenn ich von dir nichts als schwammige Andeutungen bekomme?«
»Ich erwarte gar nichts von dir. Du kannst glauben, was du willst. Es ändert nichts.«
Vanessa nickte theatralisch. »Okay, von mir aus. Jonas ist also der Teufel. Hab ich das richtig durchschaut? Falls nicht, klär mich auf.«
Thox sollte sie aufklären? Doch dafür fehlte ihnen beiden die Zeit und ihm die Geduld. Und so griff er auf die einfachen Worte zurück, die die Situation angemessen, aber auf ei ndringliche Weise deutlich machten. »Jonas ist nicht der Teufel. Er ist ein Mörder.«
Vanessas Augen weiteten sich. Sie starrte ihn an, offensich tlich hin- und hergerissen zwischen Schock und Unglaube. In diesem Moment klingelte das Telefon. Vanessa zuckte erschrocken zusammen. Thox blieb einfach sitzen, ignorierte das blecherne Geräusch und ließ den Anrufbeantworter seine Arbeit tun. Nach dem fünften Klingeln erfüllte schließlich die Stimme von Jonas den sehr still gewordenen Raum: »Hi, Kumpel, ich bin‘s. Sag mal, hast du … Vanessa ist verschwunden. Sie … sie ist nicht in ihrer Wohnung, ihr Handy ist aus und … in der Werbeagentur wird schon nach ihr gefragt. Ich dachte … vielleicht ist sie bei dir? Sonst … ich wollte es nur wissen.« Und dann war nur noch ein Tuten zu hören.
Kapitel 10
Heute
Mittwoch, 30. Juli
TAG 3
0:10 Uhr
J onas‘ metallene Worte hingen in der Luft wie die schwüle Feuchtigkeit des vergangenen Tages. Vanessa, immer noch mit den Gurten ans Bett gefesselt und mit dem getrocknetem Blut aus ihrer Nase an Mund und Kinn, schien aufgehört haben zu atmen. Mit blinden Augen starrte sie in ein für Thox unsichtbares Nichts, auf ihrem Gesicht lag der Ausdruck von verklärter Hoffnungslosigkeit. Was ging nur in ihr vor, fragte sich Thox, und just in diesem Moment hob sich ihre Brust in einem verzweifelten Atemzug, und sie sah ihn mit festem Blick an.
»Siehst du! Jonas macht sich Sorgen. Er hat keine Ahnung, wo ich bin.« Sie klang erleichtert und verzweifelt z ugleich, und obwohl ihre Stimme sicher und ihr Blick entschlossen war, sammelte sich Feuchtigkeit in ihren Augen.
»Deswegen fragt er bei mir nach? Warum sollte ausgerechnet ich etwas wissen? Schon seltsam, oder?« Thox ging davon aus, dass sie sich diese Fragen bereits selbst gestellt hatte und nur zu ängstlich war, sich das einzugestehen.
Doch Vanessa schüttelte vorsichtig den Kopf, geradezu nachdenklich, und doch überzeugt. »Das ist nicht seltsam. Er überprüft alle denkbaren Möglichkeiten. Er hat Angst um mich.« Thox hatte den Eindruck, dass sie in diesem Moment aufgehört hatte, mit ihm zu sprechen. Ihr Blick war wieder glasig, und ihre Worte schienen nur an sich selbst gerichtet. Um sich Mut zu machen. Sich selbst zu überzeugen.
»Ich versichere dir, er hat nur mich angerufen«, wisperte Thox. Was hatte Jonas nur mit ihr angestellt, um dieses uneingeschränkte Vertrauen zu bekommen?
Sie sah ihn wieder an, und ihre grünen Augen funkelten sa rkastisch. »Ach ja, und er ist ein Mörder. Wen hat er denn umgebracht?«
Thox sah weg. »Wen er
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