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Scherbengericht: Roman (German Edition)

Scherbengericht: Roman (German Edition)

Titel: Scherbengericht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germán Kratochwil
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Herrgottschnitzers.«
    Daraufhin betrachtete er noch aufmerksamer den fettglänzenden Rücken des Lammes. »Es könnte sich auch um ein sommerliches Satellitenbild der patagonischen Landmasse handeln«, deutete Dr. Holberg den Anblick. »Diese ockergelben und rostbraunen Wölbungen der Steppe, diese wasserlosen Vertiefungen, wie die Betten der ausgetrockneten Flüsse.«
    Aber an vielen Stellen blubberte bereits kochendes Fett unter der glasigen Haut. »Es scheint, da unten gibt es auch Heißwasserquellen und Schwefelbäder«, spann Treugott das von Martin entworfene Luftbild weiter, und er fügte hinzu: »Diese sprudelnden Oasen, Herr Doktor, bedeuten Glückseligkeit für den Grillmeister. Sie stellen sich keineswegs immer ein: Risse, Brüche und Stiche unter einem achtlos abgezogenen Fell lassen das flüssige Fett nutzlos wegsickern; das Fleisch wird dann trockener und fasriger. So wie jetzt aber brutzelt es im eigenen Fett.« Nun aber, da die Glutmasse sich schon gesetzt habe, werde er das Eisenkreuz ihr noch näher einrammen, ihr den Lammrücken zuwenden und etwas Rosmarin ausstreuen.
    Als Treugott damit beginnen wollte, bemerkte Martin, dass er sich dabei auf die Krücke stützen musste. Sein Vorhaben gelang ihm schließlich nur mit Dr. Holbergs Hilfe. Der schwere Landwirt keuchte. Auf der tief gebräunten Innenseite, die ihnen jetzt zugekehrt war, zeichneten sich die gelben Rippen unter verschmorten Membranen ab. Zur Mitte hin hing beiderseits des Rückgrats je ein pflaumengroßes, schokoladebraunes Klümpchen: die Nieren. Unter Anstrengungen beugte Treugott sich vor, schnitt eine ab, spießte sie aufs Messer und bot sie Martin an.
    »Eine Delikatesse – zum Dank für Ihre Unterstützung, Herr Doktor.« Er versuchte zu grinsen, aber es blieb bei einer traurigen Grimasse. Martin ergriff den fettglänzenden Leckerbissen mit den Fingerspitzen und nickte zustimmend, als er das urinsalzig schmeckende Gekröse im Mund zergehen ließ.
    »Die Wahrheit ist, mit mir ist’s aus und vorbei!«, stöhnte Treugott. »Sie seh’n es ja, allein schaff ich nichts mehr.«
    Auf Martins besorgte Nachfrage berichtete er drastisch, seine kaputten Hüftgelenke hätten ihn nun endgültig zum Krüppel verdammt, zu einem in Kürze völlig unbrauchbaren , wie er betonte. In seinen geröteten Augen war nicht auszumachen, ob ihre Feuchtigkeit vom Rauch und vom Schweiß stammte oder ob der massige Mensch von seiner Klage zu Tränen getrieben wurde. Er hatte noch rasch eine Handvoll Rosmarinnadeln über die Glutfläche gestreut; jetzt stieg weißer Rauch auf und mit ihm ein weihevoller Duft wie von Myrrhe.
    Martin bedauerte ihn und sah sich unschlüssig um. Dann sagte er zu Treugott: »Dagegen bin ich immer wieder von der Schönheit eures Landguts hingerissen. Ihr habt an diesem Ort einen Bauernhof wie aus dem Bilderbuch entstehen lassen; es fehlt gerade noch, dass die Haustiere singen und sprechen können. Rotraud und du könntet zufrieden sein, ja stolz auf diese Lebensleistung. Eher packt mich die Angst: Ist es vielleicht schon zu spät für mich, solch ein Landleben zu führen, in diesem Frieden?«
    Treugott blieb stumm und schüttelte nur den schweißnassen Kopf; worauf er sich damit bezog, war nicht ersichtlich.
    »Nein, natürlich sträube ich mich, das zu glauben. Es kann doch nicht zu spät sein für unsereiner!«, beantwortete Martin sich seine Frage selbst. Um dann zu verkünden: »Weißt du, Katha und ich haben begonnen, uns vorzustellen, hier zu leben. Steht in der Nähe irgendwo etwas Land zum Verkauf?«
    »Ist das Ihr Ernst, Dr. Holberg?« Treugott schüttelte weiterhin den Kopf, schaute aber nur auf das gegrillte Lamm, das jetzt zart umwölkt war vom verglühenden Rosmarin. »Wissen Sie, glauben Sie es mir, in diesem selben Augenblick würd ich Ihnen den ganzen Tilo-Hof, den ganzen, so wie er ist – nachschmeißen … Aber, mein Gott, da sind eben Rotraud, die Töchter, die Enkelkinder …«
    Überrascht und verlegen winkte Martin ab und trank seinen Wein aus. Nein, nein, so sei es nicht gemeint gewesen. Außerdem, er denke an etwas Kleineres; auf die Wirtschaftlichkeit des Gutes komme es ihm nicht an, wichtig allein sei die landschaftliche Lage. Er wolle etwas nur für Katha und für sich selbst. Sie hätten vor, dieses Leben zu genießen, zu wandern, zu malen, Musik zu hören, in den nächsten Jahren Bücher zu lesen und zu schreiben. Katha brauche viel Ruhe, er bedürfe des Abstands von so Vielem … In den kommenden

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