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Scherbenherz - Roman

Scherbenherz - Roman

Titel: Scherbenherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Pergamentpapier, das aufgewickelt wurde, der Duft von frisch gebackenem Brot, ein Glas goldbrauner Aprikosenmarmelade, das leise Zischen des Kaffeeautomaten. Ihr Magen knurrte. Natürlich, das war die Lösung. Charles holte Frühstück. Zufrieden schlief Anne wieder ein. Das Öffnen der Haustür würde sie wecken. Charles musste bald zurück sein.
    Er tauchte den ganzen langen Tag nicht auf. Die Abenddämmerung senkte sich über die nassen Wiesen und Felder, als die Haustür klickte. Anne, die oben im Bett lag und versuchte, ein Buch zu lesen, horchte atemlos auf. »Charles?«, sagte sie und merkte, dass sie stundenlang kein Wort gesprochen hatte. Ihre Stimme klang heiser und trocken im Zwielicht.
    »Ja«, antwortete er laut. Dann folgten Geräusche, als würden lärmend Schubladen aufgezogen, Schranktüren geknallt und ein Stuhl quietschend über den Fußboden geschoben.
    Anne wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie ging hinunter, fragte sich, ob er durch einen Zufall aufgehalten worden war oder sich verlaufen hatte – immer auf der Suche nach einer vernünftigen Erklärung für seine lange Abwesenheit.
    Charles saß unten am Tisch zurückgelehnt auf einem Stuhl, die Beine lässig ausgestreckt. Ein halbes Baguette lag auf dem Tischtuch, die Brotkrümel über den Fußboden verstreut. Die andere Hälfte des Baguettes hatte Charles abgebrochen, er hielt es in der Hand und stopfte sich große Stücke des duftigen Weißbrots in den Mund, kaute schmatzend und riss bereits das nächste Stück ab, bevor er das vorherige hinuntergeschluckt hatte. Er schien einen Bärenhunger zu haben.
    »Hallo«, sagte er durch feinen Spuckeregen. Er hatte große Stücke Brot abgebissen, die sich deutlich in den Backen abzeichneten. Er lächelte, und Anne war automatisch beruhigt. Es war also doch alles in Ordnung.
    »Wo bist du gewesen?«, erkundigte sie sich, trat hinter ihn und legte ihm vorsichtig die Hände auf die Schultern. Er rührte sich nicht, drehte sich nicht zu ihr um. Seine Kleidung roch nach Tabakrauch und Bratfett, so als habe er einige Zeit in einem stickigen kleinen Lokal verbracht. Die feinen Fältchen seiner Oberlippe waren rot gezeichnet. Er schien Rotwein getrunken zu haben.
    »Ich war aus.«
    »Ist mir auch aufgefallen«, erwiderte Anne mit falschem Humor. Sie hörte sich plötzlich wie ihre Mutter an, so als könne sie ein Gefühl dafür gewinnen, wie sie sich verhalten sollte, indem sie andere imitierte.
    Charles verschlang die Hälfte des Baguettes und leckte sich die Finger. Ohne ein Wort stand er auf und schenkte sich am Spülbecken ein Glas Wasser ein. Anne kam sich albern vor, wie sie da hilflos in ihren Socken herumstand. Sie rang die Hände, ballte sie zu Fäusten, grub die Fingernägel in die Handflächen. Charles beobachtete sie unbewegt, hob das Glas Wasser, als wolle er ihr zuprosten und lachte – es war ein kehliges, trockenes Geräusch wie ein stotternder Motorradmotor, der in der Ferne angelassen wurde. Er hob das Glas an die Lippen und kippte es mit einer Folge lauter Schluckgeräusche hinunter.
    »Ich konnte nicht schlafen«, erklärte er schließlich. »Also bin ich auf Entdeckungsreise gegangen.«
    »Oh«, sagte Anne nach kurzem Zögern. »Warum hast du mich nicht geweckt? Ich wäre gern mitgekommen.«
    Er schnaubte. Seine Oberlippe verzog sich verächtlich. »Hätte dich kaum interessiert – über Land zu wandern. Außerdem weiß ich, das du deinen Schlaf brauchst.«
    Anne setzte sich an den Tisch, versuchte ihre Verwirrung zu verbergen. Sollte sie wütend werden oder sich verständnislos geben? War das normal oder unfair? Wie sollte sie reagieren? Sie entschied sich dafür, sich versöhnlich, jovial zu geben. Die Angelegenheit war banal. Er hatte einen Spaziergang gemacht und sie schlafen gelassen. Er war fürsorglich gewesen, was sonst? Vielleicht hätte sie an seiner Stelle anders gehandelt. Schließlich hatte sie erwartet, jede Minute ihrer Flitterwochen mit ihm gemeinsam zu verbringen. Aber vielleicht war das unrealistisch. Das Leben war nicht immer die romantische Idylle, die man sich erhoffte. Sie wollte daher lieber keinen Elefanten aus einer Mücke machen.
    Sie lächelte. »Schön, dass du jetzt wieder da bist.«
    »Ja, ja«, sagte er und nickte übertrieben verständnisvoll. »Ich bin wieder da. Das ist das Wichtigste, was? Wieder bei meinem Eheweib, die geduldig auf mich gewartet hat, das brave, kleine Frauchen.«
    Ein seltsam drohender Ton schwang unterschwellig in diesen

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