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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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stützte seinen Kopf in die Hände. »Ich wollte dich Wiedersehen, um mich davon zu überzeugen, dass es dir gut geht, dass du noch träumst.«
    »Aus Konkurrenzdenken oder aus Zuneigung?«, giftete ich. Immerhin hatte er mir vor zwei Minuten höchstpersönlich verraten, dass Mahre ihr Revier mit allen Mitteln verteidigten. Vielleicht war ich ja sein Revier.
    »Ich denke nicht, dass ich darauf antworten muss, Elisabeth«, erwiderte er mit altvertrauter Arroganz. Verdammt, wir stritten. Und ich verabscheute es. »Unser Gespräch ist das beste Beispiel dafür, dass es nicht funktionieren kann. Es würde dich früher oder später unglücklich machen. Das tut es jetzt schon, nicht wahr?«
    Ich konnte ihn angiften und ihn schlagen und anspucken - vielleicht. Doch anlügen konnte ich ihn nicht.
    »Ja«, sagte ich leise. »Ich bin unglücklich. Aber ich erwarte gar nicht, glücklich zu sein. Glücklich sein ist nicht für mich gemacht, jedenfalls nicht als Dauerzustand. Genauso wenig wie fröhlich sein. Du bist nicht mein erster Freund. Ich weiß, wie es sein kann, mit einem ganz normalen Menschenmann eine Beziehung zu führen. Um ehrlich zu sein: Ich hab mich zu Tode gelangweilt.«
    Colin unterdrückte ein ironisches Prusten, ohne die Hände von seinem Gesicht zu nehmen.
    »Ich meine das ernst, Colin! Dauerfröhliche Menschen setzen mich unter Druck und früher oder später bin ich ihnen ein Klotz am Bein. Außerdem ist das für mich wie ein zu süßes Bonbon, wenn alles schön und easy ist. Irgendwann will ich es ausspucken. Oh, ich kenne diese heiteren Abende zu zweit - eine Pizza, eine DVD, vielleicht noch ein Gesellschaftsspiel. Gesellschaftsspiele! Ich krieg Ausschlag, wenn ich ein Gesellschaftsspiel machen muss, und wenn ich zu viel lache, bekomme ich stundenlang Schluckauf und der tut richtig weh! Ich bin nicht dafür geboren, grinsend durch die Gegend zu rennen!«
    Nun musste Colin wirklich lachen. Kopfschüttelnd ließ er sich nach hinten aufs Bett fallen.
    »Ich habe es geahnt... das klappt nicht ...«, murmelte er.
    »Selbst schuld. Colin, ehrlich, das war nicht konsequent. Du näherst dich mir in meinen Träumen, holst mich nach Sylt, reitest mir entgegen, schnappst mich, wirfst mich auf den Boden, kommst mir viel zu nah ... Was denkst du dir eigentlich? Dass mich das alles kaltlässt? Du heizt mich an und willst mich anschließend wegschicken?«
    »Entschuldige bitte, Ellie«, sagte er leise, aber mit fester Stimme. »Ich bin ein Mann. Ich musste dir nahekommen.«
    »Fein. Und ich bin eine Frau. Dann hätten wir das ja geklärt. Können wir nun darüber nachdenken, was wir mit meinem Bruder anstellen? Er hält mich übrigens für geisteskrank«, fügte ich erklärend hinzu und sah an Colins bebendem Bauch, dass er schon wieder lachte.
    »Ja, ich finde das auch alles unglaublich witzig«, grummelte ich, doch es gelang mir nicht mehr, am Fenster stehen zu bleiben. »Idiot«, setzte ich hinzu, trat zu Colin und wollte ihm meine Faust in die Rippen knuffen. Er kam mir zuvor und packte meine Handgelenke, um mich zu sich zu holen.
    »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass man dir den Hintern versohlen sollte, Frau?«
    Ich warf ihm einen strafenden Blick zu. »Ähm. Mein Bruder ...«
    »Ein weiser Mann.« Colin zog spielerisch an meinen Haaren. Doch dann wurde seine Miene wieder ernst. »Wenn du dir sicher bist, dass der Mahr nicht dich befällt - meistens bedienen sie sich nur an einem Opfer, bis sie satt sind -, wäre es das Klügste, du bleibst bei deinem Bruder und findest heraus, ob unser Verdacht richtig ist. Das ist allerdings auch das Gefährlichste. Deshalb bin ich nicht begeistert davon.«
    Ich rollte mich neben Colin auf den Rücken, denn solange ich auf ihm selbst lag, verflochten meine Gedanken sich zu einem wirren Durcheinander.
    »Meinst du, es ist Tessa?«, fragte ich bang.
    »Nein, das denke ich nicht. Tessa ist zu dumm für intrigante Racheakte. Und ich glaube kaum, dass sie sich am Meer aufhalten wird. Paul wohnt doch am Meer, oder? Ich habe Wasser gesehen, als ich mich dir heute Nacht genähert habe ...«
    »Ja. Speicherstadt Hamburg. Beinahe Meer.«
    »Dann ist es ein anderer Mahr. Das würde Tessa sich nicht antun, zumal sie eigentlich auf mich fixiert ist.«
    »Apropos Tessa«, schnitt ich das Thema an, das mich seit Colins Flucht Tag und Nacht beschäftigt hatte. Tessa und die theoretische Möglichkeit, einen Mahr zu töten. »Du hast gesagt, dass du sie nicht töten kannst, jedenfalls nicht im

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