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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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passend.
    »Bevor wir uns Gedanken über Tessa machen, möchte ich ihn befreien. Und du hilfst mir bitte dabei. Einverstanden?«
    »Mann, Ellie - meine Mum dreht jetzt schon durch und mein
    Vater ...« Er zeigte aus dem Fenster und im selben Moment hupte es wieder.
    »Lass mich das regeln. Ich hab es bereits angeleiert. Wir fahren mit Paul zurück nach Hamburg, sobald ich mein Abitur in der Tasche habe.«
    »Okay. Sehr gut.« Tillmann grinste zufrieden. »Hey, Ellie«, sagte er, als er die Tür öffnete und sich noch einmal zu mir umdrehte. »Du musst echt was essen. Viel Fleisch und so. Du siehst ziemlich kacke aus.«
    »Danke.«
    Er drehte sich wortlos um und nahm mit fliegenden Schritten die Treppe. Ich ließ mich rückwärts aufs Bett fallen und wartete, bis es dunkel geworden war und ich mich nicht mehr sehen konnte. Wartete, bis meine Haut aufhörte, zu brennen und zu prickeln. Wartete, bis Colins kalte Worte von meiner Müdigkeit überschattet wurden.
    Dann, endlich, wagte mein Körper es zu ruhen.

Mutter-Tochter-Gespräch
    »Also gut. Ich öffne ihn jetzt.«
    Ich fummelte den Schlüssel aus der Tasche meiner Strickjacke, während Mama nervös ihre Finger knetete. Viel Zeit hatten wir nicht, denn Paul war gerade zu einem Erkundungstrip durch das Dorf aufgebrochen und, weiß Gott, lang konnte dieser Spaziergang nicht dauern.
    Mama und ich hatten den Safe mit vereinten Kräften aus dem Keller nach oben in Papas Büro geschleppt, weil wir beide das Gefühl hatten, es sei ihm nicht angemessen, ihn dort unten im staubigen Halbdunkel von Omas alter Truhe aufzuschließen. Denn dort hatte er wieder sein angestammtes Zuhause gefunden, nachdem Papa ihn während seines und Mamas Italienurlaub vor meinen neugierigen Blicken versteckt hatte - in der Garage, wie Mama mir gestand. In puncto Kreativität und Originalität bewegten Papa und ich uns also ungefähr auf der gleichen, wenn auch sehr niedrigen Fallhöhe.
    Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um, zog die Tür auf und ...
    »Oho«, murmelte Mama trocken. In stummem Einverständnis griffen wir nach den Bündeln und zogen sie heraus. Ich weiß nicht, ob es vor mir jemals einen Menschen gegeben hatte, der angesichts dermaßen vielen Geldes so unendlich enttäuscht war. Fahrig blätterte ich eines der Bündel durch - ja, es war viel Geld, ich schätzte es summa summarum auf mindestens fünfzigtausend Euro, bar und in kleinen Scheinen.
    Ansonsten barg der Tresor ein Visitenkärtchen, einen zusammengefalteten Zettel und eine Europakarte, auf der einige Orte angekreuzt waren. Das frischeste, dickste Kreuz markierte Süditalien. Was das bedeutete, konnte ich mir denken. Es waren Orte, an denen Papa Mahre vermutete. Vielleicht wusste er sogar, dass sie dort lebten.
    Mit zitternden Fingern entfaltete ich den Zettel und begann laut zu lesen, damit Mama mir nicht zu nahe kam oder sich gar über meine Schulter beugte.
    »Liebe Elisa, ich danke Dir sehr, dass Du Paul zurückgebracht hast. Ich hoffe, ihm gefällt seine Küche auch ohne Mauer. Ich fand sie offen - sozusagen amerikanisch - ohnehin schöner.« Mama schaute mich fragend an, doch ich las bereits weiter. »Nachdem Du diese beiden Aufträge erfüllt hast, ist es Zeit für den dritten: Ich möchte, dass Du meine Nachfolge übernimmst.«
    Mama sog zischend die Luft ein, doch da sie mich nicht unterbrach - womit ich fest gerechnet hatte -, las ich weiter. »Suche die Journalistin auf - aber bitte persönlich. Sie hat sehr kompetent über einen Kongress zum Thema Schlaf berichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass sie Dir bei Deinen Vorhaben behilflich sein kann. Ich halte sie für vertrauenswürdig. Möglicherweise kann sie eingeweiht werden.
    Das Geld ist für Dich (keine Sorge, Deine Mutter hat genug). Gib es sorgsam aus.
    Ich liebe Dich,
    Dein Vater Leo«
    »Warum habe ich diesen Mann eigentlich geheiratet?«, fragte Mama seufzend. »Warum?«
    Erstaunt drehte ich mich zu ihr um. Sie tobte und schrie nicht? Obwohl Papas dritter Auftrag die ersten beiden bei Weitem über-bot? Stattdessen seufzte sie nur ein weiteres Mal, um ihre eigenen Worte wie ein geplagtes Echo zu wiederholen. »Warum habe ich diesen Menschen geheiratet... «
    »Ich tippe auf Liebe«, antwortete ich wahrheitsgemäß, nutzte die unverhoffte Ruhe und griff schnell nach der Visitenkarte. »Gianna Vespucci. Freie Journalistin und Texterin. Kellinghusenstraße 19, Hamburg.« Auf eine Telefonnummer hatte sie verzichtet, was ich angesichts ihres

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