Scherbenparadies
ihn stoppen. Janina, diese falsche Schlange. Sie riss den Kopf zur Seite, eine Haarsträhne blieb in Svens Hand, die Kopfhaut brannte wie Feuer. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
»Sven. Glaub mir«, stieß sie hervor. »Bitte. Ich schwöre es dir.« Irgendwie schien er auf das Schwören abzufahren. Es war ihre einzige Chance. »Ich schwöre. Bei Gott und allem, was mir heilig ist. Ich mag Janina. Ich habe ihr nie was getan.«
Er ließ das Glas sinken und ging wieder vor ihr in die Hocke, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. »Du glaubst an Gott? Und verarsch mich nicht.«
War er gläubig? Wenn ja, dann war das ihre Chance.
Sie nickte. »Ja, ich glaube an Gott. Ich geh zwar nicht so oft in die Kirche, aber trotzdem…« Die Gurte schnitten ihr in die Arme. Der rechte fühlte sich schon ganz taub an. Sie hielt Svens prüfendem Blick stand.
»Gut. Dann schwöre es.«
»Ich schwöre, dass ich Janina nichts getan habe.«
Die Wut wich nicht aus seinem Gesicht. Er lachte. Aber es war nur der Mund, der sich verzog. Die Augen blieben kalt. »Du tust echt alles, um deinen süßen kleinen Arsch zu retten.«
Eine Idee. Sie brauchte eine Idee. Wie konnte sie ihn abhalten, ihr nochmals dieses Glas… was war das? Sie fühlte sich ganz komisch. Sie brauchte einen Plan.
Er erhob sich aus der Hocke. Sein Handy lugte aus der Hosentasche.
»Dein Handy! Kannst du mit dem ins Netz gehen?«
»Warum?«
»Geh auf Facebook. Ich gebe dir meinen Login. Dann kannst du selbst sehen, dass ich diejenige bin, die mit dem Pinkelfoto gedisst worden ist.«
41
Er liebte Sandra. Das war nun mal so. Nicht zu ändern. Auch wenn es Außenstehenden wie eine große Dummheit vorkommen würde. Natürlich kannte er den entsprechenden Paragrafen. Natürlich wusste er, wie unmöglich diese Beziehung war. Anfangs hatte er sich gegen seine Gefühle für sie gewehrt. Lehrer und Schülerin. Das ging nicht. Es war ausgeschlossen. Seine erste feste Stelle mit Aussicht auf Verbeamtung und er riskierte sie sofort. Und nicht nur das. Er setzte auch seinen Beruf aufs Spiel. Als Lehrer konnte er einpacken, wenn er wegen einer sexuellen Beziehung zu einer Schutzbefohlenen vor Gericht gestellt wurde. Doch Gefühle wurden nun mal nicht vom Kopf diktiert. Seine Liebe für Sandra kam tief aus seinem Inneren, seinem Herzen, und so man wollte, auch aus seiner Seele.
Und nun war Sandra klüger gewesen als er und stärker. Sie hatte die Notbremse gezogen. Und für diesen Beweis ihrer Liebe liebte er sie umso mehr. Weil ich dich nicht liebe. Tut mir leid. Sorry! Als sie das gesagt hatte… Worte wie ein Eissturm, die ihn hatten erstarren lassen. Doch dann hatte er ihre Augen gesehen und die straften ihre Worte Lügen. Love you so!!! Weinend war sie weggelaufen. Warum? Das hatte er sich gefragt.
Sie liebte ihn und beendete die Beziehung. Das konnte nur eine Ursache haben. Sie wollte ihn schützen. Deswegen musste sie aber nicht Schluss machen. Sie mussten vorsichtiger sein und vor allem mussten sie sich als Lehrer und Schülerin trennen. Nicht als Liebende. All diese Gedanken waren ihm in der vergangenen Nacht, die er schlaflos verbracht hatte, durch den Kopf gegangen. Im Morgengrauen war er auf die Lösung gekommen. Sie war zwar der 10 E gegenüber nicht fair und das lag ihm im Magen, aber es schien der einzig gangbare Weg. Die Alternative, sich bis zum Ende des Schuljahres von Sandra zu trennen… Er wusste nicht, ob er es aushalten würde, sie täglich zu sehen und auf Distanz bleiben zu müssen.
Vor Schuljahresbeginn hatte er zwei Angebote gehabt. Neben dem aus Neuperlach das Angebot einer Privatschule in Bogenhausen, die ein guter Freund seines Vaters leitete. Er suchte händeringend zwei Deutschlehrer, als Ersatz für zwei Lehrerinnen, die in Elternzeit gegangen waren. Eine Klasse in einem sogenannten Problemviertel zu leiten, das hatte ihn mehr gereizt. Doch heute Morgen hatte er mit dem Freund seines Vaters telefoniert. Eine der Stellen war noch nicht besetzt worden. Den meisten Kollegen erschien sie wenig attraktiv, da sie bis zum Ende des Schuljahres befristet war.
Im Moment wäre das eine Lösung, auch wenn die Schüler der 10 E durch den Lehrerwechsel sicher Probleme bei ihren Mittlere-Reife-Prüfungen bekommen würden. Wohl war ihm bei diesem Gedanken nicht. Und deshalb musste er jetzt mit Sandra sprechen. Diese Entscheidung wollte er mit ihr gemeinsam treffen.
Doch er konnte sie nicht erreichen. Im Unterricht hatte sie unentschuldigt
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