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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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erzählt, immer, wenn er einen Behördenbrief nicht verstehen konnte oder keine sauberen Socken fand oder wenn meine Mutter abends wegging, ohne ihn, und sich von seinem Donnerwetter nicht beeindrucken ließ. Er erzählte dann von der Armee und hatte dabei einen versonnenen Ausdruck im Gesicht. »Damalsin der Armee«, sagte er, »haben wir die Weicheier auf Kalaschnikows gespießt.«
    Anton hat gezittert und nicht gefragt, was Vadim meinte.
    In der letzten Zeit vor Vadims Auszug hat Anton in seiner Gegenwart sowieso oft gezittert und nie den Mund aufgemacht. Zwischendrin hatte ich gedacht, Anton hat das Reden völlig verlernt, und es wunderte mich überhaupt nicht, dass seine Klassenlehrerin unsere Mutter oft zu einem Elterngespräch bat, weil Anton in der Schule die mündliche Mitarbeit »verweigerte«, wie sie es in ihren Einladungen formulierte.
    Wenn er nicht immer wieder schriftlich »gute Leistungen« gezeigt hätte, teilweise sogar »sehr gute«, hätte sich die Lehrerin mit dem Schüler abgefunden, der oft so still und blass in seiner hinteren Reihe saß, dass er sich kaum von der Wand abhob. Da es sich aber um eine junge Lehrerin handelte, die ihre Schüler noch mochte, die neugierig war, warum in ihrer Klasse einer, der angesprochen wird, die Lippen zusammenbeißt und den Blickkontakt ebenso verweigert wie die mündliche Mitarbeit, quälte sie Anton mit einem beispiellosen Engagement und meine Mutter mit Gesprächsangeboten.
    Das allererste Gespräch war tatsächlich ein Elterngespräch gewesen. Antons beide Eltern gingen hin, und Vadim hat sich von meiner Mutter die Krawatte umbinden lassen und dabei immer wieder ungeduldig ihre Hand weggestoßen, weil meine Mutter im Krawattenumbinden viel schlechter war als Anton in seinen schriftlichen Arbeiten.
    Dabei gab Vadim ununterbrochen Sprüche von sich,wie: »Ich frage mich, ob sie, als sie dich zusammensetzten, nicht die Arme mit den Beinen vertauscht haben«, und »Jetzt zerr doch nicht so an mir rum, du dumme Nuss«, und »Kannst du das Scheißding nicht endlich fertig kriegen?«, und »Du bist die unfähigste Frau, die mir jemals begegnet ist«, und »Jetzt mach doch endlich, wie viele Jahre soll ich hier noch warten, bis du es endlich hast?«
    Und ich machte in dieser Zeit meine Hausaufgaben am Küchentisch, das heißt, ich machte sie eigentlich gerade nicht, weil ich nur in hilfloser Wut die Faust um meinen Füller ballte. Ich war gar nicht auf Vadim wütend, sondern auf meine Mutter, ein Zustand, in dem ich mich damals oft befand.
    Wenn mir einer so käme, dachte ich, dann würde ich diese blöde Krawatte einfach so fest zuziehen, bis er röchelt, und dann würde ich in die Küche gehen und den Wasserkocher anstellen. Und bevor sich der Typ aus der Schlinge befreit, würde ich das eben aufgekochte Wasser über seinem Kopf auskippen, das ist das Mindeste, was einer verdient, der es wagt, so mit mir zu reden.
    Und was machst du, dachte ich und kritzelte zornige Zacken in mein Arbeitsheft. Du antwortest überhaupt nicht. Du lässt dich wegstoßen und lächelst zu deinen eigenen Gedanken. Du hilfst ihm erneut, wenn er dich wieder dazu auffordert, und du hilfst ihm auch dann, wenn er dich dabei übel beschimpft. Mit Engelsgeduld lässt du auf dir herumtrampeln, ausgerechnet du, die du doch so stolz bist und so höflich zu allen Menschen um dich herum.
    Es tut mir so weh zu hören, dass du auch zu ihmhöflich bist, fast immer. Und ich weiß genau, dass es nicht etwa deswegen ist, weil du Angst vor ihm hast. Du siehst ihn nicht mehr, du hörst ihn nicht, er ist dir gleichgültig, und deswegen hast du ein schlechtes Gewissen. Und zwar ihm gegenüber!
    Du nimmst ihn überhaupt nicht ernst, du lässt ihn toben und dich anschreien und dir Sachen verbieten, die du natürlich trotzdem machst, du lässt ihn bei Themen mitreden, von denen er keine Ahnung hat, das sind zuletzt so ziemlich alle Themen bis auf seine glorreiche Vergangenheit bei der Armee und die genaue Funktionsweise des Spülkastens in der Toilette.
    Du bleibst ungerührt, wenn er seine Hasstiraden ausspuckt – auf die Scheiß-Deutschen, die ihr Land nicht im Griff haben, auf die Scheiß-Amerikaner, die alles unterwandern wie die größte Sekte der Welt, auf die Scheiß-Italiener, die immer so schnell reden. Auf die kriminellen Russen, die ihr Land verlassen, und auf die schwachsinnigen Russen, die es nicht tun. Auf das Scheiß-Arbeitsamt, das nicht in der Lage ist, für einen Weltklasse-Profi wie Vadim

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