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scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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ein. »Was magst du essen?«
    »Egal.«
    »Guck mal, da ist die Butter, da ist die Marmelade, das ist der Käse, und hier ist die Milch, und trinkst du Kaffee?«
    »Ja.«
    »Und hier ist der Orangensaft.«
    »Danke.« Ich setze mich hin. Er schiebt mir alles zu, den Brotkorb, den Teller, das Messer, die Kanne, die Tasse, bis der Tisch vor mir ganz vollgestellt ist. Ich nehme meine Ellbogen herunter.
    »Danke«, wiederhole ich.
    »Und wir haben auch Nutella.«
    »Esse ich nicht. Danke.«
    »Du isst kein Nutella?« Jetzt klingt er wieder ein bisschen wie heute Nacht. »Wie kann man nur?«
    »Ich mag nicht so gern Süßes.«
    »Du hast es gut.«
    »Wieso?«
    »Ich kann ein halbes Glas Nutella auf einmal essen.«
    »Dann iss es doch auch. Was ist daran so schlimm? Ich habe mal gehört, dass Alkoholiker ungern Süßes essen. Und umgekehrt – wer Süßigkeiten mag, der hat ein geringeres Risiko, ein Säufer zu werden. Also freu dich.«
    Er guckt erschrocken. »Wo hast du das gehört?«
    »Weiß ich nicht mehr. Irgendwo gelesen.«
    Während ich die Butter aufs Brot streiche, merke ich, dass er mich verstohlen mustert. Ich sehe hoch, und er schaut sofort weg.
    »Wo ist eigentlich . . . ähm?«
    »Volker?« fragt Felix hilfsbereit.
    »Ja.«
    »Er hat heute Morgen einen Termin. Hat gesagt, ich soll mich um dich kümmern.«
    »Und das tust du.«
    »Ja.« Er betrachtet die Tischplatte.
    Und dann kapiere ich.
    »Felix«, sage ich, »was hat dir dein Vater von mir erzählt?«
    Er schaut weg. Volltreffer.
    »Sag schon«, beharre ich. »Ich werde nicht ausfallend. Nicht einmal ein bisschen hysterisch.«
    Er schweigt.
    »Komm, Felix. Hat er dir von . . . von meiner Mutter erzählt?«
    Felix nickt und schaut zu mir auf. »Warum lachst du?« fragt er entsetzt.
    »Ich lache immer, wenn mir nicht danach ist«, sage ich. »Soll ich mal raten, was er dir gesagt hat? Er hat dir erzählt, dass meine Mutter von meinem Stiefvatererschossen wurde. Dass das viel Aufsehen erregt hat. Eine richtig große Geschichte, die im ganzen Land für Schlagzeilen gesorgt hat. Dass ich ein armes Waisenkindchen bin, aber ein kluges und sogar ein bisschen prominent. Und dass du mich nicht mit Fragen nerven sollst. Was hast du?«
    Felix wird so blass, dass seine Sommersprossen gestochen scharf hervorkommen. »Das hat er so nicht gesagt«, flüstert er heiser. »Sondern nur, dass du . . . dass bei dir . . . tragische Familienumstände oder so. Ist das . . . alles . . . wahr?«
    Ich seufze. »Wo hattet ihr noch mal den Käse?« frage ich. »Ich ess nicht gern Marmelade.«
    Felix springt auf und wirft dabei fast den Stuhl um.
    »Hier«, sagt er und schaut mich erschrocken an. »Ich . . . ähm . . . ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »So geht's den meisten«, sage ich. »Du bist in bester Gesellschaft.« Und ich lächle ihn aufmunternd an, was er mit einer Grimasse beantwortet.
    »Hey«, sage ich. »Das Leben ist schön. Manchmal. Weißt du, wem du ähnlich siehst?«
    »Weiß ich«, murmelt er. »Dem Ron aus den Harry-Potter-Filmen.«
    »Aber nicht aus allen. Bloß aus den späteren. Wo er lange Haare hat.«
    »Guckst du dir so was an?«
    »Ja«, sage ich ernst. »Wegen meiner Mutter. Sie hat Harry Potter geliebt. Wie vieles andere auch. Hat auf jede Fortsetzung gewartet. Und ist dann . . . du weißt schon . . . Den letzten Film habe ich dann . . . auch ohne sie . . . «
    Ich stehe auf und gehe zum Fenster.
    Als ich mich wieder umdrehe, ist der große Felix ganz klein auf seinem Stuhl. Er blickt mir ängstlich entgegen. Ich setze mich zurück an den Tisch. Felix zappelt wie Anton auf seinem Sitz.
    Ich stelle mir vor, was Anton gerade macht.
    »Ich muss mal kurz«, sagt Felix und steht auf. »Telefonieren.«
    Ich nicke, vertieft in die Szenen, die ich mir gerade ausmale.
    Später hole ich das Buch von John Irving aus dem Gästezimmer, lehne es gegen die Saftflasche und esse lesend weiter.
    So überrascht mich Volker Trebur.
    Er überrascht mich wirklich. Ich habe nicht gehört, wie er reingekommen ist. Er trägt eine große Kiste mit Lebensmitteln, stellt sie schnaufend auf dem Tisch ab und beugt sich, um zu sehen, welches Buch ich lese.
    Ich fahre zusammen.
    »Habe ich Sie erschreckt?« fragt er lächelnd. »Beneidenswerte Konzentration.«
    »Hallo. Nein, nicht erschreckt.«
    »Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?«
    »Ja, sehr gut.«
    »Habe ich Sie gestern nicht noch geduzt?«
    »Ich glaube schon. Sie können ruhig damit fortfahren.«
    »Gern«, er setzt

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