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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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sich mir gegenüber und schüttelt die Hände aus. »Schwere Kiste«, sagt er. »Dann also Du. Ich bin Volker.«
    »Sascha.« Ich klappe das Buch zu, weil es mir plötzlichunhöflich vorkommt, und beginne, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen.
    »Sascha«, wiederholt er nachdenklich. »Ich will nicht indiskret sein, aber was war los bei Ihnen zu Hause? Bei dir zu Hause?«
    »Was meinen Sie?«
    »Du musstest so dringend weg. Passiert das öfter?«
    Ich sammle das schmutzige Besteck ein. Dabei versuche ich, mit den Schultern zu zucken.
    »Es hat Streit gegeben«, sage ich schließlich, aber es hört sich nicht sehr überzeugend an.
    »Bist du eigentlich schon achtzehn?«
    »Fast. 17 und zwei Monate.«
    »Weiß dein Vormund, wo du dich gerade aufhältst?«
    »Mein Vormund«, sage ich, »weiß leider überhaupt nichts. Also einfach überhaupt nichts. Ich darf sein, wo ich will. Ich habe gesagt, ich bin bei einer Freundin. Ich bin übers Handy erreichbar, falls es zu Hause ein Problem gibt.«
    »So«, sagt Volker, streckt den Arm aus und bricht eine Ecke vom Croissant ab, das im Brotkorb liegt. »Du meinst also, dass du gerade hier weilst, das geht in Ordnung?«
    »Ich meine das nicht«, sage ich. »Ich weiß es. Das Jugendamt wird Sie nicht wegen Kindesentführung anzeigen.«
    »Hm-hm. Wie beruhigend.«
    »Ich kann auch gehen, wenn Sie mich hier nicht wollen.«
    »So ein Quatsch.« Und nach einer Pause: »Du hast also Felix schon kennengelernt.«
    »Ja. Bereits heute Nacht.«
    »Ja, ich habe davon gehört. Was für ein Glück, dass ich mit Ohropax schlafe. Aber ich glaube, ich habe die Vibration gespürt.«
    »Welche Vibration?«
    »Als du auf die Fernbedienung getreten bist und der Fernseher so gebrüllt hat.«
    »Ach so«, sage ich. Was dachte ich denn?
    »Montag ist Feiertag«, sagt Volker Trebur.
    »Ja?« frage ich gleichgültig. »Welcher schon wieder?«
    »Erster Mai.«
    »Ach so.«
    »Aber am Dienstag musst du wieder in die Schule.«
    »Lassen Sie das mal meine Sorge sein.«
    »Willst du blaumachen?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Willst du dich krankschreiben lassen?«
    Ich seufze.
    Sei ne Augen lachen. »Gehe ich dir auf den Geist?« fragt er.
    »Nein«, sage ich und verliere mich in seinem Blick. »Aber ich Ihnen.«
    »Keineswegs«, sagt er ernst. »Und ich glaube, Felix freut sich.«
    »Jetzt nicht mehr«, sage ich. »Ich habe ihn mit meinem tragischen familiären Hintergrund konfrontiert. Er hat jetzt einen Schock.«
    Volker Trebur macht ein strenges Gesicht. »Hat er etwa . . . ?«
    »Er hat nichts gefragt, nein. Ich habe es ihm selber erzählt. Ich dachte, er wüsste das.«
    »Ja«, sagt Volker langsam. »Es ist schwierig für ihn, damit umzugehen.«
    »Er wird es schon schaffen«, sage ich ein bisschen grob. »Wenn ich es doch auch schaffe.«
    »Entschuldige bitte«, sagt er. »Entschuldige um Himmels willen.«
    »Kein Problem.«
    Ich nehme wieder das Buch in die Hand. Ich weiß nicht, was ich tun soll, mich hier noch einmal hinsetzen oder weggehen, zurück ins Bett oder in den Garten. Der Zauber dieses Morgens ist verflogen, keine Ahnung, wann und wieso.
    »Ich habe deine Mutter gekannt«, sagt Volker in meine Überlegungen hinein.
    »Wie?« Ich sehe zu ihm hoch.
    »Ich habe sie mal kennengelernt. Sie hat doch diesen Preis bekommen, für«, er runzelt die Stirn und schnipst mit den Fingern, »so eine merkwürdige Bezeichnung, Beihilfe zur gelungenen Integration oder sonst was. Ich war in der Jury. Man hat manchmal so Pflichten.«
    »Sie Armer«, sage ich.
    »Ja, du hast recht. Ich sollte mich nicht beklagen. Also, das war die Gelegenheit.«
    »Sie haben sie also mal kurz gesehen? Oder haben ihr feierlich den Umschlag mit 300 Euro überreicht?«
    »Warum so kratzbürstig? Ich habe mich mit ihr unterhalten. Sie war eine außergewöhnliche Frau.«
    »Haben Sie das sofort gemerkt?« frage ich gereizt.
    »Ja«, sagt er ruhig. »Das habe ich.«
    Ich blättere im Buch.
    »Deswegen war ich auch so schockiert, davon zu hören, dass sie . . . « Er zögert und lässt die Finger knacken. Ein ätzendes Geräusch.
    ». . . niedergeknallt wurde«, sage ich. »In den Kopf, in den Bauch, in die . . . «
    Sein Gesicht verändert sich.
    ». . . in die Beine«, fahre ich fort. »Zum Glück in dieser Reihenfolge. Ich denke, so herum hat sie deutlich weniger mitgekriegt. Warum sind Sie so weiß?«
    Seine Hände fallen vom Tisch auf den Schoß und verkeilen sich ineinander.
    »Nanu?« sage ich. »Habe ich etwas

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