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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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befreie meine Handgelenke aus seinem Griff.
    »Hallo.«
    Er geht einen Schritt zurück und setzt sich auf die Couch. Wirft eine karierte Decke über seine Beine und mustert mich von unten. Es ist ein Kerl, ziemlich schmächtig, aber eben im Stehen recht groß, fast einen Kopf größer als ich. Ich habe keine Ahnung, wie alter ist. Sein Haar fällt in ausgefransten Strähnen auf die Schultern.
    »Du bist doch die . . . « sagt er und runzelt die Stirn.
    »Sascha.«
    »Ja, genau. Volker hat von dir erzählt. Du hast dich den ganzen Abend nicht blicken lassen. Ich hab mich ein bisschen gewundert, wo du steckst.«
    »Ich war müde. Ich habe geschlafen.«
    »Na so was.«
    Ich lehne mich gegen die Wand und betrachte ihn. Er mustert mich weiterhin ungeniert.
    »Ich bin Felix«, sagt er dann. »Verstehst du mich?«
    »Und du mich?«
    »Bist du beleidigt? Volker hat gesagt, du kommst aus Russland.«
    »Na und?«
    »Warum ärgerst du dich so?«
    »Ich ärgere mich nicht.«
    »Du kannst aber gut Deutsch.«
    »Danke. Du auch.«
    »Und ich bin hier eingeschlafen«, sagt er gutmütig, und ich sehe im Dunkeln, wie sei ne Zähne aufblitzen. »Ich habe erst ewig nicht einschlafen können. Dann habe ich mich vor die Glotze gesetzt und bin irgendwann eingepennt. Bis du meintest, mich mit voller Lautstärke wecken zu müssen.«
    »Du warst doch schon vorher wach. Du hast dich aufgerichtet, da habe ich einen Schreck gekriegt.«
    »Stimmt, ich war vorher ein bisschen wach. Aber erst danach so richtig.«
    Ich muss, völlig gegen meinen Willen, lächeln.
    »Ich heiße Felix«, sagt er.
    »Das hast du doch schon gesagt. Ich bin nicht so vergesslich.«
    »Ehrlich nicht? Ich schon.«
    »Ich glaube, ich habe dich vorhin gehört«, sage ich vorsichtig. »So Stimmen da oben. Warst du das?«
    »Ich habe nur eine Stimme. Aber das können nur Volker oder ich gewesen sein. Oder der Computer oder die Glotze.«
    »Nur Volker oder du?« frage ich.
    Er sieht mich aufmerksam an.
    »Ja«, sagt er. »Sonst wohnt hier keiner. Außer ein paar freundlichen Hausgeistern. Hast du noch keinen gesehen? Unter dem Bett im Gästezimmer ist ein ganzer Schwarm.«
    Ich lächle zurück.
    »Kennst du Calvin und Hobbes?« fragt er.
    »Nein.«
    »Das ist so ein Comic. Calvin ist ein kleiner Junge, und Hobbes ist sein Plüschtiger. Einmal sitzt Calvin auf seinem Bett, hat Angst und fragt: ›Sind da Geister unter meinem Bett?‹ Und unter dem Bett kommt eine Sprechblase hervor: ›Nein.‹ Calvin dann, bibbernd: ›Und wenn da welche wären , wären sie groß oder klein?‹ Und die Sprechblase: ›Gaa-anz klein.‹«
    »Hm«, sage ich. »Lustig.«
    »Willst du mein Zimmer sehen?« fragt Felix nach einer Pause.
    »Wozu?« wundere ich mich.
    »Nur so. Volker hat gesagt, du bleibst ein paar Tage bei uns. Hat gesagt, das hat seinen Grund. Hat ihn aber nicht genannt.«
    »Das wird seinen Grund gehabt haben.«
    »Wie alt bist du eigentlich?« fragt er misstrauisch.
    »Siebzehn.«
    Sein Gesicht entspannt sich ein bisschen.
    »Ich bin sechzehn«, sagt er. »Ich dachte, du wärst fünfzehn.«
    »Das kann man im Dunkeln oft schwer einschätzen.«
    »Stimmt. Du hättest auch Ende zwanzig sein können.«
    »Vielen Dank.«
    »Nein, ich meine, das kann man wirklich schwer sagen. Viele Mädels sehen alt aus und viele erwachsene Frauen sehr jung.«
    Ich zucke mit den Schultern. Es ist kein Thema, das mich wirklich interessiert. Aber Felix geht es anscheinend anders.
    »Neulich hat Volker eine mitgebracht«, sagt er. »Von der dachte ich, sie ist Anfang zwanzig. Und sie war 36! So eine aus seiner Redaktion. Susanne.«
    »Mahler?« frage ich mit schwacher Stimme.
    »Kennst du sie?« fragt Felix hocherfreut. »Woher? Hast du was mit der Zeitung zu tun?«
    »Nicht wirklich«, sage ich. »War die oft da?«
    »Susanne? Zwei Mal. Vor etwa drei Monaten. Danach nicht mehr. Warum fragst du, ist die etwa verheiratet?«
    »Keine Ahnung«, sage ich müde. »Deine Susanne ist mir scheißegal.«
    »Na gut«, sagt er. »Mir eigentlich auch. Willst du jetzt mein Zimmer sehen?« fragt er wieder, und ich finde das ziemlich kindisch.
    Aber ich mag Kinder.
    »Von mir aus«, sage ich.
    Wenn wir zusammen über den Flurlaufen, fällt seine Größe noch mehr auf. Er trägt ein zerknautschtes T-Shirt und breite dunkle Hosen.
    »Habt ihr elektrisches Licht?« frage ich.
    »Warum fragst du?«
    »Weil wir ständig im Dunklen sitzen oder laufen.«
    »Das ist doch nett so.«
    »Finde ich nicht.«
    »Ehrlich nicht?« Er

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