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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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schöne Volksmelodie für unsere treue Zuhörerin Lydia aus Irkutsk, herzlichen Glückwunsch zum Dreiundfünfzigsten« – und jede Menge Live-Geräusche: zerbrechendes Geschirr, unterdrücktes Keuchen und vor allem Streit, der alles übertönt, den Heavy Metal, das Lachen, die politischen Diskussionen. »Halt die Klappe, du dumme Kuh, du hast mir schon längst mein ganzes Leben zerstört« – »Ich? Dein Leben? Habt ihr das gehört?«
    Und dazu Eminem.
    Und ich.
    Denn wir singen oft im Duett, der Rapper aus Detroit und ich, und ich stehe inzwischen dazu, dass ich ihn mag. Ich trage sogar gelegentlich ein T-Shirt, auf dem er einen Revolver lädt und Grimassen schneidet, blondiertes Haar, Tätowierungen, jawohl.
    Er ist der Einzige, den ich in den letzten zwei Jahren hören konnte, stundenlang, und auch der Einzige, dem ich glaube, dass er eine Ahnung von dem hat, worüber er singt. Es gefällt mir, dass er früh Vater geworden ist und Adoptivkinder hat, und ich verfolge voller Mitgefühl seine Scheidungen und Hochzeiten mit der immer gleichen Frau und seine Kämpfe gegen die Herkunftsfamilie. Und er tut mir furchtbar leid, denn im Vergleich zu der »8 Mile«, hinter der er aufgewachsen ist, kommt mir der Solitär wie ein Palast vor. Ich meine, in so einem Bauwagen würde es mir noch weniger gefallen.
    Also singen wir oft zusammen, er seinen Text und ich meinen, bloß die Melodie ist gleich und die Richtungauch. Trotzdem hat jeder sein Thema, und, wie bei zwei parallelen Wegen, wird es niemals zu einer Überschneidung kommen.
    I'm sorry, Mama , sagt Eminem.
    Dir wird es leid tun, Vadim, sagt Sascha.
    I never meant to hurt you.
    Und wie ich dir wehtun will.
    I never meant to make you cry.
    Doch, du wirst heulen, versprochen.
    But tonight I'm cleanin' out my closet.
    Was machst du da sauber, Marshall? Deinen Schrank?
    Und ich sortiere meinen – den Giftschrank.
    Ich habe noch nicht viel drin außer meinem Hass und dem wenigen angelesenen Wissen. Bei Arsen, zum Beispiel, sind bereits 0,1 Gramm für einen Erwachsenen tödlich, es ist geruch- und geschmacklos, allein, ob ich es in der Apotheke kaufen kann, stand in meinem schlauen Buch leider nicht drin. Ich könnte dir stattdessen die Samen der Eibe ins Rührei mischen, ich schätze, zwanzig würden reichen. Vor einiger Zeit ist ein kleines Kind mit versalzenem Pudding umgebracht worden, das habe ich in der Zeitung gelesen, und das wäre auch was für dich, Vadim, und die Eltern dieses Kindes sollten davon auch so richtig viel bekommen.
    Es gibt aber auch so viele schöne Giftpflanzen, die man einfach am Straßenrand pflücken kann, Maiglöckchen, Goldregen, die Herbstzeitlose, davon könntest du Krämpfe bekommen, Halluzinationen, Atemaussetzer, Herzstillstand.
    Ich weiß gar nicht, ob du einen so schönen Tod verdienst,Vadim. Eher nicht. Besser verdorbene Fischkonserven, damit du so richtig viel zuckst und erstickst, und in deiner Sterbeurkunde steht dann: Botulismus. Was frisst du auch jeden Mist! Ich könnte dir auch zwanzig Zigarettenkippen in die Nudeln krümeln und dann so richtig viel Pfeffer dazu.
    Du hast ja nie geraucht, weil dir deine werte Gesundheit immer sehr wichtig war. Es gab sogar eine Zeit, da wolltest du abnehmen und hast Kalorien gezählt, ungefähr drei Tage lang, was hat meine Mutter da herzlich gelacht und dir zugesichert, sie wolle kein Gramm deines leichten Übergewichts missen.
    Und Frauen, die rauchen, fandest du vulgär, und ich habe mehrmals versucht, mir deinetwegen das Rauchen anzugewöhnen, allerdings wurde mir immer schlecht davon.
    Mit Schlafmitteln würde ich dich nicht umbringen wollen. Du sollst nicht einfach einschlafen.
    Außer, du würdest dann in dem Teich hinter den Eichen landen, im Scherbenpark, wo meine Mutter mit Anton im Frühjahr Froschlaich sammelte und in unserem Aquarium die geschlüpften Kaulquappen bestaunte und deren Verwandlungen bei ständig sinkender Anzahl. Erst waren es fünfzig, dann zwanzig, dann zehn, und plötzlich hockte ein winziger Frosch auf dem Teppich und riss sein Maul auf.
    Ich glaube dir nicht, dass du aus Versehen auf ihn getreten bist.
    Wenn sich dann deine Lungen mit Wasser füllen, das muss sehr unangenehm sein, sollten die Frösche dazu quaken. Und du würdest lange drinliegen, bisman dich findet. Und wenn es dann so weit ist, wenn du, wie bei Wasserleichen üblich, irgendwann oben treibst, dann siehst du genau so aus, wie du es verdienst: graugrün, verfault und aufgedunsen.
    Ich würde dich

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