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scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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werfe noch drei Steine, der Vorhang aus Glasscherben fällt und fällt. Die Blumentöpfe auf den Fensterbänken bleiben stehen. Ein weißes Gesicht taucht in einem Fenster auf und verschwindet sofort wieder.
    Ich beginne wieder zu lachen.
    Plötzlich tut es weh. Ich verstehe nicht, was los ist. Ich drücke eine Hand auf die linke Schulter, zwischen den Fingern sickert Blut. Vor meinen Füßen liegt ein Stein. Jemand hat ihn aufgelesen und auf mich zurückgeworfen.
    Es ist die linke Schulter. Ich habe Glück. Ich kann weiterwerfen.
    Ich hebe den Stein auf und ziele, aber der Arm um die Ecke verschwindet wieder.
    Der Stein fliegt ins offene Fenster. Das Glas bleibt ganz.
    Bei den nächsten vier treffe ich.
    Und dann sehe ich sie. Maria, Anton und Alissa, die mit einer großen Kühltasche im Schatten laufen, ganz nah an den Häusern.
    Ein Stein zischt knapp an meinem Gesicht vorbei.
    Alissa beginnt zu rennen. Sie schießt direkt auf mich zu, ihr Mund ist aufgerissen, aber ich kann nichts hören.
    »Verschwinde hier«, schreie ich. »Hier ist es gefährlich. Da versucht jemand, mich zu treffen. Maria, nimm sie weg!«
    Maria läuft in unsere Richtung. Ihr ganzer Körper wackelt, und ich denke gleichmütig, dass sie bestimmt gleich zusammenbricht. Anton ist hinter ihr, und er weint.
    In der Ferne höre ich eine Sirene. Endlich, denke ich. Wie lange soll ich noch werfen? Ich werde schon ganz müde.
    Und dann ist Alissa ganz nah bei mir und krallt sich an mir fest.
    Ich sehe ihn kommen, den Stein, der um die Ecke fliegt. Ich reiße Alissas Hände von mir und stoße sie hinter meinen Rücken. Aber da ist sie auch nicht sicher. Noch ein Stein saust herbei, ganz knapp an Alissas nackten Beinen vorbei, direkt in meine Wade hinein, die dabei aufplatzt.
    Ich spüre den Schmerz durchaus. Ich denke, das ist so, wie wenn man erschossen wird.
    Den Stein, der meinen Kopf trifft, sehe ich dann nicht mehr.

Die Decke über mir ist weiß wie frisch gefallener Schnee. In der Ecke hängt eine Spinnwebe. Sie wackelt ein bisschen. Vielleicht, weil da eine Spinne drin schaukelt. Vielleicht, weil ein Lufthauch durchs Fenster weht.
    Ich sehe die Spinnwebe an, ziemlich lange. Es geht nicht anders. Wenn ich die Augen bewege, droht mein Kopf zu explodieren.
    Ich stöhne versuchsweise auf, aber das tut auch weh.
    Also seufze ich nur.
    Dann merke ich, dass meine rechte Hand schwitzt. Das kommt daher, dass jemand sie festhält. Ich sehe runter, so weit das geht, kann es aber nicht erkennen. Bewege die Augen nach rechts. Dort ist etwas Buntes. Sehe nach links. Dort steht ein Metallständer, der mit meinem Arm verdrahtet ist.
    »Wer ist da?« frage ich ganz leise, damit mir der Kopf weniger dröhnt.
    »Ich«, höre ich.
    Maria.
    »Bin ich krank, Maria? Hör auf zu heulen. Ich lebe noch. Ich höre doch, dass du heulst. Wo ist Alissa?«
    »Im Kindergarten«, sagt Maria und schluchzt. Und fügt hinzu: »Mit der ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.«
    »Und Anton?«
    »Geht so.«
    »Das heißt?«
    »Er hat einen neuen Therapieplatz. Er ist ein bisschen durcheinander.«
    Ich erinnere mich an alles.
    »Komme ich jetzt ins Gefängnis?« frage ich. »Ich habe doch so viel zerstört.«
    »Weiß nicht«, sagt Maria. »Hab's nicht verstanden.«
    »Steht ein Polizist vor der Tür?«
    »Nein.«
    »Gut.«
    Ich schließe die Augen. Ich sehe trotzdem jede Menge. Tausend bunte Mücken tanzen auf den Innenseiten meiner Lider.
    »Wie lange liege ich schon da?« frage ich.
    »Vier Tage«, sagt Maria.
    »Vier Tage? Komisch. War ich bewusstlos?«
    »Nein«, sagt Maria verständnislos. »Du warst fast die ganze Zeit bei dir. Du hast geredet. Du hast viel gelacht. Ich dachte, ich werde es nicht überleben, wie du da gelegen hast, als du getroffen wurdest. Der ganze Kopf voller Blut. Ich dachte, du wärst tot. Mein armes kleines Mädchen. So dünn und ganz blutig und nicht einmal die Haare gekämmt.«
    Dann spüre ich etwas Feuchtes auf meiner Hand. Ganz kurz.
    »Was war das?« frage ich. »Hör auf zu schluchzen.«
    Mit enormer Anstrengung hebe ich den Arm an und betrachte den Handrücken. Darauf ist ein roter Abdruck.
    »Neuer Lippenstift?« frage ich.
    Maria antwortet nicht.
    »Habe ich da auch gelacht?« frage ich. »Als ich getroffen wurde?«
    »Nein. Da warst du weg. Du bist im Rettungswagen zu dir gekommen.«
    »Warum weiß ich das nicht mehr?«
    »Bin ich Moses?« fragt Maria.
    Ich muss lachen. Den Ausdruck hat sie von Anton. Das Lachen tut verdammt weh.
    »Was

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