Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
ein bisschen nass, hier auf der Schulter.«
    »Blinder Regen?«
    Ich kann nicht antworten.
    »Na klar, habe ich dem kleinen Mädchen gesagt, ich bringe dir deine Sascha nach Hause. Und dann hat sie ›Dann ist ja gut‹ gesagt und einfach wieder aufgelegt.«
    Seine Uhr tickt ganz laut an meinem Ohr. Ich zähle mit – dreißig, sechzig, neunzig.
    »Ich habe so Angst, dir wehzutun«, sagt er.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine diese Stellen hier. Und hier. Tut es weh?«
    »Nein. Nicht mehr. Es fühlt sich jetzt richtig gut an.«
    »Quatschkopf. Was war das für ein Mist mit dem nicht vorhandenen Knochenbruch?«
    »Es waren bloß Prellungen und Platzwunden. Das Röntgenbild war verrutscht. Und eine Gehirnerschütterung hatte ich auch.«
    »Sieht furchtbar aus.«
    »Dann hau ab, Volker. Ich habe doch gesagt, du darfst nicht kommen.«
    »Nein, so meine ich das nicht. Es sieht eigentlich überhaupt nicht schlimm aus. Es ist nur . . . Es tut mir weh, das zu sehen.«
    »Hau ab.«
    »Nein.«
    »Ich will nicht, dass du mich so siehst.«
    »Ja, das habe ich verstanden. Es sieht aber überhaupt nicht schlimm aus. Hast du dich selber schon mal betrachtet?«
    »Nein. Der Verband ist erst seit gestern ab.«
    »Dann geh zum Spiegel da drüben und schau rein.«
    »Nein.«
    Volker seufzt.
    »Du bist noch anstrengender als Felix«, sagt er.
    »Danke für die Karte, übrigens«, sage ich.
    »Bedank dich bei Felix.«
    »Richte es ihm aus.«
    »Du kannst es ihm selber sagen. Er wartet im Flur. Er traut sich nicht reinzukommen. Er hat Angst, dass du völlig entstellt bist. Warum er trotz seiner schwachenNerven unbedingt mitkommen wollte, bleibt sein Geheimnis.«
    Und ich schüttle Volkers Hände ab, springe vom Bett und reiße die Tür auf.
    Der Flur ist weit und hell. In der Ferne klappern die Teller, weil gleich Mittagessen ist. Es riecht auch schon ziemlich abscheulich, und zwar immer nach Blumenkohl, egal, was es gibt.
    Felix kauert an der Wand mir gegenüber. Er zuckt zusammen und sieht zu mir auf.
    »Du bist aber ganz schön braun gebrannt«, sage ich, als er sich langsam aufrichtet und plötzlich zu lächeln beginnt – immer breiter, immer glücklicher.
    »Und ich dachte, du siehst ganz schlimm aus«, sagt er und kommt näher und streckt den Arm aus und greift nach meiner Hand.
    »Bitte vorsichtig«, sage ich und weiche ein bisschen zurück. »Fass mich besser nicht an. Mir tut noch alles weh.«
    Und er lässt meine Hand abrupt los, als hätte er sich verbrannt.
    »Freust du dich aufs Zuhause?« fragt Volker, meine Tasche über der Schulter, während ich unter dem Kissen nachsehe, ob ich nicht dort ein Buch vergessen habe, und aus dem gleichen Grund vor dem Bett auf die Knie gehe.
    »Nein«, sage ich. »Ich hasse mein Zuhause.«
    Felix sieht kurz auf, verängstigt und betroffen.
    »Wieso?« fragt er.
    »Weil mir da wieder die Sachen einfallen, die ich am liebsten vergessen würde«, sage ich.
    »Hier wohnst du?« fragt er im Auto.
    »In dem höchsten«, sage ich.
    Volker parkt direkt vor dem Solitär und nimmt meine Tasche.
    »Die Mauer ist ja fertig«, sage ich.
    »Du warst doch gar nicht so lange weg«, sagt Volker. Felix schweigt.
    »Es kommt mir aber ewig lang vor«, sage ich. »Ein paar Wochen Krankenhaus, und ein neues Leben kann beginnen. Die Fenster sind ja repariert. Hast du eigentlich mitgekriegt, was hier los war?«
    »Ich habe es in unserem Archiv nachgelesen«, sagt Volker. »Ich will dich nicht ärgern, aber ich musste dabei an diesen Typen mit den Windmühlen denken . . .«
    »An wen?« fragt Felix.
    Die Bänke vor dem Hauseingang sind leer.
    »Wo ist Oleg?« frage ich.
    »Wer?«
    »So ein Typ. Der ist gelähmt. Er saß eigentlich immer hier. Wo ist der?«
    Jetzt schweigt Volker, aber Felix regt sich unerwartet.
    »Woher soll ich das denn wissen?« fragt er. »Und ist das überhaupt so wichtig?«
    »Weißt du«, sage ich. »Hier denkt man irgendwie sofort das Schlimmste.«
    »Es stinkt gar nicht wie sonst«, sage ich im Aufzug. »Jedenfalls nicht schlimmer als so ein Krankenhaus-Essen. Jetzt bin ich abgehärtet.«
    »Das ist ja schrecklich hier«, sagt Felix zeitgleich,und ich kriege mit, welchen Blick er dafür von Volker erntet.
    »Na und?« sagt Felix trotzig. »Das ist doch höllisch hier. Soll ich sagen, es ist schön?«
    »Nur, wenn du mich ärgern willst«, sage ich. Es klingt unerwartet fröhlich.
    »Die Leute denken, dass diese Flecken hier noch das Blut von meiner Mutter sind«, sage ich vor unserer

Weitere Kostenlose Bücher