Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
wahr?«
»Klar ist es wahr«, kam von der alten Dame, die eine überraschend laute und jugendliche Stimme hatte. Sie drehte den Kopf in Irmis Richtung. »Ich seh fast nichts mehr und war drei Tage mit Tereza in München. Also hab ich ein Alibi und das Madel auch.« Dazu klopfte sie mit ihrem Gehstock auf den Boden wie ein Tambourmajor.
»Mama!«
»Ja, nix Mama! Ich bin bald blind wie ein Maulwurf, aber nicht blöd. So was fragen die im Fernsehen auch immer.« Und wieder wandte sie sich an die Kommissarinnen. »Früher hab ich gern Krimis geschaut. Und weil ich jetzt nix mehr sehe, hör ich stattdessen Hörbücher. Da geht es auch um Alibis.« Sie wies auf einen Stapel CD s mit Romanen von skandinavischen Kriminalschriftstellern, die nicht gerade für zimperliche Geschichten bekannt waren.
»Mama, ich glaube auch nicht, dass die Damen angenommen haben, dass du die Tenne beim Schmid angesteckt hättest.«
Irmi hatte das Gespräch zwischen Mutter und Tochter mit einem gewissen Amüsement verfolgt. Die Alte war in jedem Fall beeindruckend.
»Das weiß man nie so genau«, konterte die Dame mit Nachdruck.
»Bei der einen Toten handelt es sich um Ionella Adami, die Sie ja auch kennen und die unter anderem mit Tereza, Ihrer Pflegerin, befreundet war. Und deshalb sind wir hier. Wir müssen mit Tereza sprechen. Ist sie da?«
»Ja, aber ich hab sie genötigt, sich etwas hinzulegen«, sagte Hanne. »Sie war völlig fertig und hat so stark geweint, dass ich fast versucht war, den Arzt zu holen, damit er ihr was zur Beruhigung gibt.«
»Armes Ding. Was für ein schlimmes Ende für einen jungen Menschen«, sagte die alte Dame und verlieh ihrer Rede erneut mit dem Stock Nachdruck.
»Die Ionella war öfter bei Ihnen herüben …«, sagte Irmi langsam, doch sie wurde sofort unterbrochen.
»Ich sehe wenig, aber ich bin nicht taubstumm. Sie können schon schneller reden, und schonen müssen Sie mich auch nicht. Ich hab die Flucht aus dem Egerland überlebt. Mir haben sie drei Brüder an der Hand meiner Eltern weggeschossen«, sagte die alte Dame.
Irmi war kurzzeitig sprachlos.
In die erdrückende Stille kam von Hanne Lorenzi ein erneutes: »Mama!«
»Also, die Damen«, fuhr die Alte fort, »Ionella kam öfter herüber, weil’s beim Schmid ja nicht mal gelitten war, dass sie telefoniert oder ins Internet geht. Dabei haben sie beim Schmid so was auch gar nicht. Außerdem haben sie ihr immer das warme Wasser abgedreht, damit sie ja nicht zu oft duscht. Wir waren hier eine Art Asyl, die Tereza und ich. Außerdem ist die Burgi eine alte Hexe.«
»Mama!«
»Stimmt doch! Sie war schon früher eine humorfreie Bissgurke, und jetzt, wo es im Hirn ausbeißt, akzentuiert sich das. So nennt man das, Töchterchen. Ak-zen-tu-ieren! Die schlechten Eigenschaften werden im Alter mehr, drum werd ich immer noch g’schnappiger und peinlicher. Ich war meiner Tochter nämlich immer schon peinlich!«
Kathi lachte laut, und Irmi grinste. Dass Gerti zeitlebens eine Nonkonformistin gewesen sein musste und so ein Dorf ordentlich aufgemischt hatte, daran hatte Irmi gar keine Zweifel.
»Mama, du bist eine Heimsuchung! Du kannst doch nicht …«
»Und Sie haben den Kontakt zu den Rumäninnen hergestellt?«, wechselte Irmi das Thema.
»Ja, die Schmids hatten zuerst Polinnen über eine Agentur, wie es sie im Internet ja zuhauf gibt. Da waren einige Kaliber dabei. Am besten war die mit dem ›I like mountains‹-Shirt, die hat echt keinen Finger krumm gemacht«, meinte Frau Lorenzi.
Immerhin hatte diese Frau in Unterammergau einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, dachte Irmi.
»Und außer dem Satz ›I want coffee‹ konnte die auch kein Englisch!«, rief Gerti. »Ich hab beim Amerikaner übersetzt, ich weiß, was Englisch ist.«
»Ja, Mama! Du weißt alles! Jedenfalls haben wir dann unsere Rumäninnen empfohlen. Das läuft anders als bei einer Agentur, weil die Mädchen alle weitläufig miteinander verwandt sind. Die Wilhelmine organisiert dann, wer wann kommt. Auch für die jungen Frauen ist es viel schöner, wenn es im Dorf noch eine Freundin gibt. Ein Zuckerschlecken ist der Job nämlich nicht«, bemerkte Hanne Lorenzi.
»Willst du damit sagen, ich bin kein Zuckerschlecken?«
»Na ja, du bist eher Chilipfeffer, Mama!«
Gerti tippte sich an den Kopf. »Gib deinem Vögelchen mal ein Wasser. Ich geh jetzt Tereza holen.« Bemerkenswert geschwind stand sie auf und tackerte mit ihrem Stock von dannen.
Ihre Tochter sah ihr kopfschüttelnd
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