Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Venusgrotte in Linderhof?«
»Ja, da hat er um diesen blauen Farbton gerungen, der der Blauen Grotte auf Capri nachempfunden ist. Erzählen Sie Ihrer Tochter mal, dass dabei die blaue Farbe entstand, die später von dem fränkischen Schneider Levi Strauss für seine Jeanshosen verwendet wurde. Die Welthose gäbe es also nicht ohne diesen Franken und ohne einen Wittelsbacher.«
Irmi war beeindruckt von der Museumsdirektorin und auch ein klein wenig frustriert. Diese Frau wusste so viel und konnte spielend den Gang der Welt in Zusammenhänge stellen, dort, wo sie selbst nicht mal über Viertelwissen verfügte.
Sie gingen weiter durchs Museum und kamen an einem Bild des volksnahen Prinzregenten Luitpold vorbei, der immerhin einundneunzig Jahre alt geworden war. Dann sahen sie sich ein Porträt des Kurfürsten Karl Theodor an, dem München den Englischen Garten zu verdanken hatte und der Namensgeber des Münchner Karlsplatzes war. Wenn Karl Theodor nicht so unbeliebt gewesen wäre, hätten die Münchner den Platz bestimmt bis heute Karlsplatz genannt und nicht Stachus nach dem Wirt Eustachius Föderl.
Schließlich blieben sie vor einigen Werbeplakaten stehen, die das Landleben um 1900 zeigten.
»Das war Runas Thema«, erklärte die Museumsdirektorin. »Sie wollte eine Arbeit schreiben und darin die Darstellung des Landlebens in Norwegen und Deutschland in den letzten hundert Jahren vergleichen. Natürlich auch im Hinblick auf die Wunden, die die beiden Weltkriege verursacht haben.«
Deshalb also die Bücher, dachte Irmi und studierte ein Plakat, auf dem eine Magd mit blütenweißer Schürze Milch in ein Gefäß kippte und ein Bursche dazu auf der Mundharmonika spielte. Was für ein klischeehaftes Bild vom heilen Landleben, zu einem Zeitpunkt, als die Verelendung, die aus der Industrialisierung resultiert war, auch Bayern längst erreicht hatte. Wenig hatte sich seitdem an den Klischees geändert, die vor allem in Büchern, Filmen und der Tourismusbranche weiterlebten. Aus den gesichtslosen Städten wollte man die Menschen aufs heile Land locken, wo alles besser war. So gut, dass rumänische Mädchen in Silos starben, dachte Irmi zynisch.
»Wenn sie nur so heil wäre wie auf dem Plakat, diese bäuerliche Welt«, sagte sie laut und näherte sich dann dem eigentlichen Grund ihres Besuchs. »Hat Runa Ihnen gegenüber eigentlich mal eine rumänische Freundin erwähnt?«
Die Museumsdirektorin dachte kurz nach. »Stimmt, sie hat mal von ihr erzählt, einer Pflegekraft, die in ihrer Heimat Pharmazie studiert hatte. Runa war fassungslos, dass in Rumänien das ganze Jahr über Holzstöckchen gesammelt werden, um sie im Winter zu verheizen, während ihre norwegischen Kommilitonen nicht auf die Idee kommen, ihre Heizung, die mit Strom läuft, mal niedriger als fünfundzwanzig Grad zu stellen.«
Auch Irmi war aufgefallen, dass die Norweger ihre Natur liebten und so oft wie möglich mit Goretex, Fleece und Co. ausgerüstet hinauszogen, aber nur selten über Energiesparen nachdachten. Fast alle Heizungen liefen mit Strom, und in allen Häusern war drinnen T -Shirt-Time, während draußen die Schneestürme tobten.
»Sie hat mich gefragt, ob ich nicht das rumänische Mädchen anstellen könnte, damit sie von ihrem Sklavenjob wegkommt«, fuhr die Museumsdirektorin fort.
Irmi schluckte. »Das ging aber nicht?«
»Leider nein.« Die Museumsdirektorin stutzte kurz. »War die junge Rumänin das zweite Mädchen, das ums Leben gekommen ist?«
»Ja, die beiden kamen in der Tenne ihres … äh … Arbeitgebers ums Leben.« Jetzt hätte sie fast Sklaventreiber gesagt.
Schweigend gingen sie durch den Raum, der die NS -Zeit thematisierte, als die Wittelsbacher als Sippenhäftlinge von einem KZ ins nächste verlegt worden waren.
»Sagen Sie, so wie Sie Runa erlebt haben, könnte sie versucht haben, die Rumänin zu … nennen wir es befreien?«, fragte Irmi. »Könnte sie in der Familie ihres Arbeitgebers Stimmung gemacht und sich für die Freundin eingesetzt haben?«
»Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Sie war nicht unhöflich, aber ungestüm, eine Schwert schwingende Kämpferin für eine bessere Welt. Vielleicht hätte sie ihren zweiten Namen als Erstnamen bekommen sollen.«
Was, wenn alles ganz anders gewesen war, als sie bisher angenommen hatten? Was, wenn gar nicht Ionella das Ziel gewesen war, sondern die aufmüpfige Norwegerin, die sich eingemischt hatte?
Sie beendeten ihren Rundgang an einigen 3- D -Animationen von
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