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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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nachdem ein Defekt an den Rädern festgestellt worden war. Die betroffenen Passagiere stürzten alle los, um noch Plätze in den vorderen Waggons zu finden. Auch Sweta schnappte ihre Sachen und erreichte den vorderen Abschnitt des Zuges im letzten Moment, bevor sich die Lokomotive in Bewegung setzte. Was aus den Passagieren wurde, die weniger flink waren, wusste sie nicht. Größere Gefahren standen ihr bevor. In Kotlas setzte sie sich außerhalb des Bahnhofs auf ihren Rucksack, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und auf den Zug nach Petschora zu warten. Sie trug Zivilkleidung, nicht die Militäruniform, die ihr auf ihrer ersten Reise geholfen hatte. Wahrscheinlich dachte Sweta deshalb, es sei sicherer, sich nicht in der Bahnhofshalle aufzuhalten. Plötzlich kam ein Polizist auf sie zu. Er hätte ihre Papiere verlangen und sie nach ihrem Reiseziel fragen können, was sie in größte Not gebracht hätte, doch er erwies sich als freundlich und war nur auf ihre Sicherheit bedacht. Er warnte sie vor Dieben und sagte, es sei weniger gefährlich, in der Halle auf den Zug zu warten.
    Am 25. traf Sweta endlich in Petschora ein. Arwanitopulo holte sie am Bahnhof ab und brachte sie zu seiner Wohnung knapp außerhalb der Umzäunung des Holzkombinats. Die Familie hatte ein Telefon, da Boris für den Fall eines Feuers im Kraftwerk immer auf Abruf bereitstehen musste. Lew wiederum hatte während seiner Schichten Zugang zu dem Telefon im Kraftwerk, wo Sweta ihn anrief. Die Verbindung wurde in der Zentrale von Maria Alexandrowskaja hergestellt, der Frau, die Lew und Sweta im Vorjahr beherbergt hatte. Lew teilte Sweta mit, dass jemand die Wärter über ihre Pläne, das Arbeitslager illegal zu betreten, informiert habeund dass man darauf lauere, sie zu verhaften. Anscheinend waren jedoch nicht alle Wärter so feindselig, denn einer musste Lew vor der Bedrohung gewarnt haben. Dieser hatte einen der Lagerräume im Untergeschoss des Kraftwerks in eine »konspirative Behausung« umgewandelt, wo Sweta sich mit ihm zusammen aufhalten konnte, wenn sie es ins Lager schaffte.
    Da Sweta entschlossen war, sich mit Lew zu treffen, aber keine Verhaftung riskieren wollte, wandte sie sich an das Hauptquartier der Gulagverwaltung. Es befand sich in dem großen weißen, neoklassischen Gebäude, an dem sie im Jahr zuvor mit Lew Israilewitsch auf dem Weg zum Holzkombinat vorbeigekommen war. Dort beabsichtigte sie eine offizielle Genehmigung für den Besuch bei Lew zu beantragen. Es war ein mutiges Unterfangen, denn die MWD-Funktionäre wussten höchstwahrscheinlich Bescheid über ihr illegales Eindringen im Jahr 1947 und hatten nun womöglich ihre Verhaftung angeordnet. Sweta stieg die Treppe zum zweiten Stock hinauf, wo sie die Tür zum Büro von A. I. Borowizki, dem Leiter des Arbeitslagers, am Ende eines breiten Korridors mit Holzfußboden und großen Fenstern vorfand. Durch die Fenster war der Schornstein des Kraftwerks im Holzkombinat zu sehen. Borowizkis geräumiges Büro schmückten von Häftlingen angefertigte Gipsreliefs, die nördliche Waldszenen, Baustellen und Eisenbahnen zeigten. Borowizki war nicht anwesend, und Sweta, erschöpft nach ihrer langen Reise aus Moskau, musste sich gedulden. »Ich wartete den ganzen Tag auf den Verwaltungschef und saß am späten Abend immer noch da«, erinnerte sie sich.
    Wie alle Gulagbosse arbeitete Borowizki nachts – genau wie Stalin. Die Uhren in jedem Büro waren auf Moskauer Zeit gestellt. Kein höherer Funktionär konnte sich erlauben zu schlafen, wenn das MWD aus der Hauptstadt anrief. Irgendwann erschien Borowizki und empfing Sweta in seinem Amtszimmer, wo er zwischen seinem Schreibtisch und einem großen Safe saß. Der Verwaltungschef gab sich höflich und liebenswürdig, genehmigte Swetas Antrag, ohne zu zögern, und unterzeichnete einen Befehl, den er ihr, während er sie hinausbegleitete, in die Hand drückte. »Ich dankteihm überschwänglich«, berichtete Sweta. Aber sobald sie auf der Straße war, betrachtete sie die Anweisung genauer. »Im hellen Licht einer Straßenlaterne oder vielleicht eines Suchscheinwerfers las ich das Dokument: ›Erlaubnis zu einem Treffen von 20 Minuten Länge unter militärischer Bewachung.‹«
    Die Begegnung fand am folgenden Tag in dem Wachhäuschen am Eingang zum Barackenblock für die Häftlinge der 2. Kolonie statt. Der diensthabende Wärter zeigte sich verständnisvoller als sein Vorgesetzter. Er führte Lew und Sweta in eine vom Hauptraum abgetrennte

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