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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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ich während des Urlaubs seinen [Arwanitopulos] Namen und Vatersnamen vergessen (obwohl ich mich an die Initialen erinnere), und ich kann die nötigen Einzelheiten auch nicht in den Briefen nachlesen, da ich sie verloren habe. Ich weiß, dass ich den Brief mit den wichtigsten Details irgendwo zur Seite gelegt habe, damit er jederzeit zur Hand sein würde, aber wo ist das »irgendwo«? Nun werde ich sämtliche Briefe noch einmal durchsehen müssen. Ich setze immer noch einige Hoffnung auf den Namensvetter [Lew Israilewitsch]. Außerdem habe ich ihm geschrieben, damit er an jenen Tagen und zu jenen Zeiten nirgendwo hingeht. Schließlich weiß er, wie wenig ich mich bei Euch auskenne. Um das Schicksal nicht herauszufordern, nenne ich niemandem meine Reisedaten und Fahrplanzeiten. Ich hoffe, es zu überlisten und vorbeizuschlüpfen, obwohl wir ein Schaltjahr haben. Dieselbe Furcht veranlasst mich, absolut nichts mitzubringen … Ich habe drei Bitten: 1. Schick mir sofort ein Telegramm. 2. Versteh meines. 3. Triff Dich mit mir.
     
    Fünf Tage später hatte Sweta Moskau immer noch nicht verlassen. Es war nicht leicht, die Zugfahrkarten zu besorgen (nicht ungewöhnlich in der Sowjetunion, wo die Menschen tagelang an Fahrkartenschaltern Schlange standen). »Gott weiß, wann ich abreise«, schrieb sie Lew am 18. August:
     
Seit drei Monaten gibt es keinen separaten Schalter mehr für Personen, die Dienstreisen machen wollen. Wenn man Glück hat, bekommt man eine Fahrkarte innerhalb von ein oder zwei Tagen am Vorverkaufsschalter, weil sie sich dort die Namen der Wartenden notieren, damit die Schlange am folgenden Tag unverändert wiederhergestellt werden kann … Aber meiner eigenen Dummheit wegen haben wir bereits zwei Tage für nichts verschwendet. Ich stellte mich in die Schlange, fuhr dann zur Arbeit und wurde von Jara abgelöst, dann Jara von Mama,aber die Karten gingen aus, bevor sie das Fenster erreichte. Da sie nicht ahnte, dass sie ihren Platz in der Schlange bestätigen lassen musste, kehrte sie einfach nach Hause zurück. Sie war wütend über sich selbst und stellte sich am nächsten Morgen ganz früh in die Schlange, doch als ich eintraf, um sie abzulösen, stellte sich heraus, dass sie einem Polizisten Glauben geschenkt hatte, der ihr versicherte, alle Karten für Züge in Richtung Gorki würden an einem anderen Schalter verkauft. Kurz gesagt, sie stand in der falschen Schlange, und ich hatte keine Zeit, neu zu beginnen, weil ich dringend im Institut erwartet wurde …
     
    Am Ende gelang es Swetas Mutter trotz weiterer Verwirrung, ihr eine Fahrkarte für den 21. zu beschaffen. Diese war nur für sechs Tage gültig, womit Sweta gerade genug Zeit hatte, sowohl ihre Arbeit in der Fabrik in Kirow zu erledigen als auch nach Petschora zu reisen, obwohl es auf des Messers Schneide stehen würde. Nun musste sie sich entscheiden, ob sie vor oder nach ihrem Aufenthalt in Petschora einen Stopp in Kirow einlegen würde. Sie beschloss, zuerst in Kirow auszusteigen. Dadurch konnte sie etwaige Telegramme von Natalia Arkadjewna im Postamt abholen und Zydsik mitteilen, dass sich ihre Rückkehr verzögern würde. »Es ist schade, dass ich in Kirow haltmachen muss«, ließ sie Lew wissen, »aber ich werde weniger ängstlich sein, wenn das erledigt ist.«
    Sweta verließ Moskau am 21. August. In Kirow gab sie ein Telegramm auf, das Lew am folgenden Tag erhielt. Doch abweichend von ihren Instruktionen antwortete er nicht, weil er glaubte, sie nicht mehr rechtzeitig erreichen zu können. Stattdessen wartete er auf ihre Ankunft. Sein Freund und Vorgesetzter Boris Arwanitopulo, der Sweta abholen und unterbringen wollte, ging am 23. zum Bahnhof. Er sah den Zug einfahren und suchte unter den Passagieren, die an ihm vorbei zur Bahnhofshalle strebten, eine schmale junge Frau mit Zöpfen und einem Rucksack. Vergeblich. Am 24. kam er abermals zum Bahnhof, doch sie war auch an jenem Tag nicht im Zug. Jedes Mal, wenn Boris ohne Sweta wieder im Lager erschien, geriet Lew außer sich vor Sorge. »Ach, mein Liebling Sweta«, schrieb eram 24. »Ich sitze hier und frage mich, ob Du kommst oder nicht. Und wenn nicht, dann wird es allein meine Schuld sein, weil ich auf N. A. 32 gehört und kein Telegramm nach K[irow] geschickt habe. Ich kann an nichts anderes denken. Vielleicht ist Dir etwas zugestoßen.«
    Tatsächlich war Sweta in Schwierigkeiten geraten. Zwischen Kirow und Kotlas hatte man einige Waggons im hinteren Zugteil abgekoppelt,

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