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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zur Baracke zurück, mit der ich begonnen habe!« sagte Gerholdt mit einem bitteren Humor – man schaffte für den Rest des Geldes und gegen langlaufende Wechsel moderne Maschinen an, man baute sogar wieder eine kleine Walzenstraße und kaufte Schrott auf, den man im Lohn einschmelzen ließ, um mit ihm Rohstahlplatten zu bekommen. Denn niemand gab ihnen etwas … wo sie auch immer anklopften, waren sie die alten Nazis, die ›Vorbestraften‹, die Zuchthäusler aus Werl.
    Die begnadigten Kriegsverbrecher.
    Die Menschen mit dem Kainszeichen …
    Die große Konkurrenz, die Riesenwerke an der Ruhr, hatten es einfacher gehabt. Sie waren entflochten worden, sie hatten Konzerne unter ›unbelasteten‹ Personen gegründet, die vor den wahren Besitzern standen wie ein gut lackiertes Firmenschild. Und sie waren wach, sehr wach, daß der wieder zum Zwerg gewordene Frank Gerholdt nicht noch einmal aufstieg zum Riesen und ihnen ein Stück des blauen Wirtschaftswunderhimmels wegnahm.
    Und doch schaffte es Gerholdt in zwei Jahren, eine neue Fabrik aus den Trümmern am Rhein aufzubauen … nicht durch Fleiß, nicht durch Zähigkeit des Willens – – – sie waren im Machtkampf der Industrie Faktoren, die wenig galten – – – sondern durch die Erfindung Dr. Schwabs, die ihn schon einmal – 1939 – an die Spitze der deutschen Wirtschaft führte.
    Man wußte es an Rhein und Ruhr. Man belauerte Frank Gerholdt und Dr. Schwab. Man kundschaftete aus, wie es ihnen erging.
    Und man versuchte, Dr. Schwab zu kaufen.
    Wegzukaufen von Frank Gerholdt.
    Man bot zunächst zwei Millionen und fünf Prozent. Dann zweieinhalb Millionen und siebeneinhalb Prozent. Als Dr. Schwab die Unterhändler hinauswarf und sie Lumpen nannte, wurde man massiver und drohte mit einem Presseskandal: Alter Nazi und Kriegsverbrecher will Stahl für neue Kriegsprodukte herstellen.
    In allen Zeitungen. Bildberichte in den Illustrierten! Reden in den Rundfunksendern!
    Kesseltreiben gegen Frank Gerholdt!
    Nieder mit ihm!
    Er gefährdet unsere Millionen! Er sitzt auf unserem Portemonnaie! Er kommt wieder!
    Machtkampf der Konkurrenz! Schmutz auf ihn! Jauche! Dreck! Mist! Es geht um unser Geld … und Geld stinkt nicht! Vor allem, wenn es Millionen sind! Für Millionen kann man ruhig den Charakter verlieren, denn nur der hat Recht, der Geld besitzt! Das ist das ganze große Geheimnis der menschlichen Gesellschaftsordnung: Geld!
    Frank Gerholdt ging durch diesen Sumpf mit der Souveränität und der Sturheit eines Menschen, den Dreck nicht angreift und der es gewöhnt ist, den Mist auf Mistkarren wegzuschaffen. Er lächelte nur, wenn Dr. Schwab ihm berichtete.
    »Jetzt bieten sie mir drei Millionen! Sogar die USA kommen und wollen mich hinüberholen. Zweihunderttausend Dollar Jahresgehalt! Vertrag auf zehn Jahre! Ich werde schwindelig, wenn ich diese Summen höre …«
    Und Gerholdt antwortete dann: »Sieh an … soviel bin ich ihnen wert! Wir sind auf dem richtigen Wege, Dr. Schwab – – – je mehr man uns beschimpft, um so größer sind unsere Erfolge!«
    Er gönnte sich keine Ruhe. Er fuhr nach Schweden und kaufte Stahl. Er fuhr nach dem Balkan und verkaufte seinen Stahl. Er verhandelte mit Südamerika in Hamburg und mit Indien in Rom. Er empfing in seinem Haus am Rhein den Abgesandten König Ibn Sauds und speiste in Paris mit Vertretern aus Indonesien. Er lud die halbe Welt zu sich zu Gast und unterschrieb Verträge und Abkommen, Austausche und Verkäufe. Woche um Woche, Monat um Monat … zwei Jahre hindurch ein Motor, der nie zum Stillstand kam, der jagte und keuchte, von Ort zu Ort flog und der nie versagte, wenn er am Tisch seinen Partnern gegenübersaß und seine Fäden über Kontinente hinweg spann. Ein Mann mit weißen Haaren und harten, stahlgrauen Augen, mit einem verwitterten Gesicht, in dessen Falten die Jahre eines großen Schicksals träumten, und einem schmalen, kaum lächelnden Mund, der knapp sprach, der aber das, was er sagte, mit Überzeugung brachte.
    In Bonn horchte man auf, in Frankfurt häuften sich die Devisenanträge … die Konkurrenz saß verbittert hinter ihren riesigen Schreibtischen und verfluchte den stillen Erfindergeist Dr. Schwabs, der Gerholdt die Möglichkeit gab, seine Stirn wieder in das Weltgeschehen zu schieben.
    Kredite kamen. Hypotheken wurden angeboten, Maschinen gegen Amortisation verkauft und aufgestellt. Das Werk wuchs. Über Nacht fast, wie eine Pilzkolonie nach einem warmen Regen, schossen die neuen Bauten am Rhein

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