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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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danke.« Sie küßte seine Hand, die auf ihrer Schulter lag. »Fred hatte solche Angst, zu dir zu kommen. Wir haben uns nämlich schon verlobt –«
    »Was habt ihr?!« Gerholdt senkte den Kopf. »Heimlich habt ihr euch –«
    »Nicht böse sein, Paps. Bitte, bitte nicht böse sein …«
    Sie war aufgesprungen und hatte sich an Gerholdts Brust geworfen. Sie streichelte seine faltige Haut, sie küßte ihn, sie legte ihm die Hände auf den Mund, damit er nicht schimpfen sollte.
    Gerholdt schüttelte den Kopf. Schimpfen, dachte er. Wie kann ich schimpfen? Das Leben rollte über mich hinweg, ohne daß ich es merkte. Während ich glaubte, es vom Schreibtisch aus zu bezwingen, ließ es mir die Illusion und ging seinen Weg weiter … über mich hinweg.
    Ist es das Los aller Väter? Das Leben eines alten Mannes, der nur noch zu segnen hat, was das Leben gestaltet?
    »Ich bin nicht böse, Rita«, sagte er noch einmal, als sie seinen Mund wieder freigab. »Aber ich werde dem jungen Mann sagen müssen, daß ich ihm später als Vater nicht das wünsche, was er mit mir heute getan hat.« Er küßte Rita auf die glücklichen Augen und nickte. »Also, mein Liebling – bring ihn mit.«
    »Morgen schon?«
    »So eilig? Also denn – morgen.«
    »Paps, du bist der beste Paps der Welt!« Sie umarmte ihn stürmisch. »Ich werde Fred gleich anrufen!«
    »Tue das!« Gerholdt lächelte. »Und sage ihm, die Blumen soll er weglassen. Wir haben genug im Garten. Wie heißt er übrigens, dein Fred? Ich kann doch nicht sagen: Guten Tag, Herr Fred.«
    »Er heißt mit vollem Namen: Fred von Buckow.«
    Frank Gerholdt war es, als schlage ihn eine riesige Faust zu Boden. Er griff an den Hals und lehnte sich an die Wand der Terrasse.
    »Nein …«, röchelte er. »Nein …« Und plötzlich schrie er auf und stürzte auf die zitternde Rita zu, riß sie an sich und schüttelte sie mit einer unbeherrschten Wildheit. »Nein! Nein! Nein!« Dann ließ er Rita los und taumelte zurück. »Wo kommt er her?«
    »Aus Hamburg.« Über Ritas Körper lief ein Zucken, das sich in ein lautes Weinen auflöste. »Sein Vater war Reeder. Er starb, als Fred noch klein war …«
    Ihre weiteren Worte gingen in Schluchzen unter.
    Frank Gerholdt hatte sich gefangen. Er sah hinüber zu dem träge im Abendrot fließenden Rhein.
    Das war der Schlag! Der Kampf, der letzte, große Kampf mit dem Schicksal hatte begonnen! Er wand sich unter der Strafe Gottes, aber er trotzte ihr!
    »Sein Vater starb?« sagte er laut und fest.
    »Er verunglückte.«
    »Und seine Mutter?«
    »Von ihr hat er nie gesprochen.« Rita sah Gerholdt ängstlich an. Sein Ausbruch, seine Wildheit, sein Aufschrei, alles war so fremd, so ohne Sinn für sie, so unverständlich wie die jetzige Wandlung zu einer eisigen, unheimlichen Ruhe. Nur seine Augen waren wild und hart. Sie schauderte vor diesem Blick und empfand eine tierische Angst vor dem eigenen Vater.
    »Was hast du plötzlich gegen Fred?« fragte sie tapfer.
    »Nichts. Gar nichts, mein Kind. Ruf ihn an. Er soll morgen kommen.« Er wandte sich ab und verließ die Terrasse.
    Wenig später raste sein Mercedes-Wagen aus der Einfahrt hinaus auf die Uferstraße.
    »Zur Fabrik«, sagte Frau v. Knörringen, als Rita verstört danach fragte.
    Aber Frank Gerholdt fuhr nicht zur Fabrik. Er raste wie ein Irrer den Rhein hinauf. Nach Köln. Von Köln über die Autobahn nach Bonn.
    Als er in Bonn ankam, war sein Hemd naß von Schweiß.
    Fred v. Buckow. Ein Bruder Ritas!
    Er hatte nie gewußt, daß Rita noch einen älteren Bruder besaß.
    Bei Freifräulein v. Berlefels erfuhr er die Anschrift Fred v. Buckows. Sie hatte die Adresse einem Kalender entnommen, den sie beim Staubwischen auf dem Schreibtisch Ritas liegen sah. Eingedenk der ihr aufgetragenen Erziehungspflichten hatte sie einen Blick in dieses Büchlein geworfen und mit Interesse die Anschrift des jungen Mannes registriert.
    Bonn, Magnusstraße 16.
    Frank Gerholdt fuhr in die Magnusstraße. Erst als er vor dem großen, im Stil der Gründungsjahre gebauten Haus stand und die Sandsteinfassade hinaufsah, kam ihm zum Bewußtsein, daß er gar nicht wußte, was er Fred v. Buckow sagen sollte.
    Wie sollte er ihn anreden? Wie sollte er ihm klar machen, daß es unmöglich war, weiter mit Rita zusammenzusein? Was konnte dieser junge Mann dafür, daß er der Bruder seiner Freundin war und der angebliche Vater der Räuber seiner Schwester und der Mörder seiner Mutter und seines Vaters? Nicht Fred war zu verurteilen,

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