Schicksal aus zweiter Hand
und das Gestern durch das Heute beschworen wurde.
»Sie werden Rita nicht wiedersehen«, sagte Gerholdt leise. Er stand vor Fred v. Buckow, etwas kleiner als dieser, und blickte zu ihm hinauf. Seine Stimme war leblos wie seine Augen, aber gerade diese Leblosigkeit zog wie ein Schauer über den Rücken Buckows. »Es gibt Dinge im Leben, die man sich nur einmal überlegen kann.«
»Was soll das heißen?« In Buckows Augen trat Angst. Er wich zurück, aber Gerholdt folgte ihm, den Kopf nach vorn gedrückt, ein anschleichendes Raubtier.
»Haben Sie nicht soviel Intelligenz?«
»Sie drohen mir?«
»Ich drohe nie … ich handle sofort! Wenn Sie Rita noch einmal sehen, werde ich Sie töten …«
»Herr Gerholdt!« Fred v. Buckow lehnte zitternd an der Wand. Er sah in den Augen Gerholdts sein Todesurteil, und eine panische Angst ergriff ihn vor dieser Ausweglosigkeit.
»Begreifen Sie jetzt, warum ich Ihnen sagte: Ich schenke Ihnen den Frieden? Ich habe kein Interesse, Sie zu töten. Es wäre mir ein Ekel, es auszuführen … nicht, weil Sie es sind, sondern weil ich mich schämen müßte vor mir selbst. Und doch – wenn es sein muß – glauben Sie mir, daß es auf der ganzen Erde keine Macht gibt, die mich daran hindern könnte, es auszuführen!«
»Ich glaube es Ihnen«, sagte Buckow mit weißen Lippen.
»Sie haben das Leben vor sich. Sie haben Pläne. Sie können etwas … wie mir Rita sagte. Ihnen steht die Zukunft offen … weit offen … aber ohne meine Tochter! Ich gebe Ihnen zweihunderttausend Mark, wenn Sie morgen noch mit unbekanntem Ziel Bonn verlassen!«
»Zweihunderttausend Mark –«
»Ich erhöhe: eine Viertelmillion! In bar! Ohne eine Gegenleistung als die, Bonn zu verlassen und meine Tochter zu vergessen. Mit zweihundertfünfzigtausend Mark ist ein Vergessen leicht!«
Fred v. Buckow schüttelte langsam den Kopf. »Ich liebe Rita. Man kann eine wirkliche Liebe nicht wegkaufen. Sie ist mehr wert als eine Viertelmillion!«
»Sie wollen handeln? Dreihunderttausend Mark!« sagte Gerholdt ungerührt.
»Hören Sie auf! Sie bieten mir noch eine Million!«
»Ich werfe sie Ihnen nach, wenn Sie endlich verschwinden!« schrie Gerholdt.
Fred v. Buckow senkte den Kopf. Über seinen Körper lief ein wildes Zucken.
»Nein! Nein! Nein!« schrie er auf und warf plötzlich den Kopf in den Nacken. Sein Mund war zerrissen im Schrei wie die Plastik eines sterbenden Kriegers. »Es gibt keine Summe, die ein Glück ersetzen kann!«
»Dann sterben Sie –«
Frank Gerholdt wandte sich ab und verließ das Zimmer und die Wohnung. Als er die Tür hinter sich zuzog, brach Fred. v. Buckow zusammen und stürzte weinend über den Tisch. Gerholdt sah und hörte es nicht mehr. Er stieg unten auf der Magnusstraße in seinen Wagen und fuhr in schnellem Tempo aus Bonn hinaus, Richtung Köln.
Ich habe einmal gesagt, daß ich alles töten werde, was mir Rita wegnehmen will, dachte er. Ich habe gesagt, daß mein Leben Rita ist! Und ich werde es tun, ich werde diesen letzten der Buckows töten, um endlich Ruhe zu haben vor der Vergangenheit.
Er saß, über das Steuer gebeugt, im Wagen und raste durch die Nacht über die Autobahn. Die Scheinwerfer griffen in die Dunkelheit, riesige, lange, zitternde Finger, die die Nacht zerrissen.
Er ahnte, daß sein Leben aus seinen Händen glitt. Zum erstenmal war das Schicksal stärker als er. Und er erkannte es an.
Die Cafeteria und das Hotel ›Sorrento‹ liegen an der Südspitze der Insel Ischia, direkt über dem tintenblauen Golf von Sorrent . In die Felsen hineingehauen sind die Stufen, die hinunter zum Steinstrand führen und zu dem klaren Wasser, auf dessen Grund man bei strahlender Sonne die wundersamsten Pflanzen und bizarre Fische erkennen kann, Höhlen und Klippen von verwegener Romantik und fast unwirklicher Schönheit. Es ist, als schwimme man über einem Zaubergarten, aus dem – man würde sich nicht wundern – jeden Augenblick eine Nixe auftauchen konnte.
Weit geht der Blick übers Meer und hinüber zur Küste, zu den weißen Segeln der Boote und den bunt bemalten Rümpfen der Ruderjollen, mit denen die Fischer und Bootsverleiher von Ischia die Inselgäste zu den Grotten rudern oder zu flachen Klippenstellen, wo man tauchen und mit der Unterwasserkamera herrliche Aufnahmen von seltenen Fischen und einer wunderbaren Wasserflora machen kann.
Auf der Terrasse des Hotels ›Sorrento‹ saßen an diesem Nachmittag, geschützt durch einen breiten, grellroten Sonnenschirm mit
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