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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das ist das Elternhaus Ritas? Hier wuchs sie auf, wie eine kostbare Blume in einem goldenen Treibhaus …
    Er hatte plötzlich Hemmungen und sah auf den blanken Boden. Sie wird sich nie wohlfühlen als kleine Frau eines Chemikers. Sie wird immer diesen Luxus vermissen, diese Freizügigkeit, was einem gefällt, auch kaufen zu können. Sie würde das Leben an seiner Seite ertragen, weil sie ihn liebte … aber sie würde innerlich daran zerbrechen.
    »Na? Was ist?« Die Stimme Frau v. Knörringens schreckte ihn empor.
    »Ich glaube, es war ein Irrtum.«
    »Was?«
    »Alles.«
    »Wie haben Sie Rita kennengelernt?«
    »Als ein schmales, blasses, hübsches Mädchen, das Medizin studiert. Einfach und schlicht und lieb …«
    »Das ist sie alles.« Frau v. Knörringen nickte. »Und nun erschlägt Sie dieses Haus?«
    »Ja«, sagte Fred v. Buckow ehrlich. »Ich komme aus einem guten Hause. Meine Eltern sind Reeder. Kleine Reeder. Der Krieg hat ihnen fast alles genommen … die Schiffe, die Patente, die Lizenzen, die Molen … Wir haben nie schlecht gelebt. Aber was ich hier sehe, kenne ich nur aus den Filmen.«
    Frau v. Knörringen betrachtete den großen jungen Mann mit den kritischen Blicken einer Königinmutter. Sie gestand sich ein, daß er ihr gefiel. Er hatte helle, blaue, ehrliche Augen, ein untadeliges Benehmen, Bildung und Anstand – trotz seines zweimaligen Eindringens in den Frieden der Gerholdt'schen Villa. Und wenn sie ganz ehrlich war, empfand sie Mitleid mit ihm. Er liebte die kleine Rita … Frau v. Knörringen biß sich auf die schmalen Lippen. So vergeht die Zeit. Als ein langhaariges Mädchen kam sie nach Angerburg, schmal, verschüchtert, verängstigt, knicksend und wenig sprechend. Eine Handvoll Mensch nur, die zitternd um das von Bomben getötete Pony weinte. Und nun steht da ein Mann und liebt dieses kleine Mädchen! Und es ist keine verschüchterte Rita mehr, sondern eine forsche und hübsche Studentin der Medizin, die vor ihrem Doktorexamen steht und mit den schmalen, weißen Händen in den Kühlräumen Leichen zerlegt. Frau v. Knörringen zog schnell ihr Taschentuch und führte es an die Nase. Es roch nach Tosca und verscheuchte den Geruch, den sie bei dem Gedanken an den Leichenkeller fast spürbar empfand.
    »Wenn Rita Ihnen nicht schreibt, scheint es mir so, als wenn sie das alles nicht so ernst nimmt wie Sie, mein Herr.«
    Fred v. Buckow schüttelte den Kopf. »Wir wollten heiraten!«
    »Ach!« Frau v. Knörringen riß die Augen auf.
    »Wir hatten uns heimlich verlobt. Rita wollte es ihrem Vater sagen und mich anmelden.«
    »Das unternimmt man im allgemeinen vor der Verlobung!«
    »Ich weiß. Aber ich scheute zurück. Frank Gerholdt, der große Industrielle, und ich, der kleine Chemiestudent mit den großen Plänen. Ich dachte, er wirft mich hinaus.«
    »Das wäre so sicher gewesen, wie die Formel für Wasser H 2 O ist«, sagte Frau v. Knörringen trocken. »Wenn alle Fabriken zusammen in die Luft fliegen, wäre das nicht so schlimm wie der Verlust Ritas!«
    Fred v. Buckow setzte sich in einen Sessel und stützte den Kopf in beide Hände. »Was soll ich tun?« fragte er hilflos.
    »Nach Hause gehen und schlafen.«
    »Ein billiger Rat.«
    »Aber ein guter. Glauben Sie einer alten Frau – werden Sie ruhiger und geduldiger. Man kann im Leben nicht alles mit dem Elan der Jugend zwingen … es gibt Dinge, die müssen wachsen und reifen, ehe man sie ernten kann! Man durchbricht nicht ungestraft die Naturgesetze.«
    Fred v. Buckow nickte. »Sie haben das Alter erreicht, in dem man so sprechen kann. O Verzeihung, gnädige Frau.« Er sprang auf, blutrot im Gesicht, und verbeugte sich tief. »Auch das war wieder eine Dummheit. Eine Frau ist nie zu alt, sagte einmal mein Onkel. Es kommt immer auf das eigene Alter an.«
    Frau v. Knörringen lächelte mild. »Sie sind ein großer Junge.«
    »Das sagte Rita auch.«
    »Ich darf Ihnen nicht sagen, wo Rita ist. In Italien – das wissen Sie. Aber ich kann etwas für Sie tun.«
    Fred v. Buckow verkrampfte die Hände. »Das wäre zu schön … zu schön«, stotterte er.
    »Ich werde Rita schreiben, daß Sie zweimal hier waren. Will sie etwas von Ihnen wissen, dann schreibt sie Ihnen … hören Sie trotzdem wieder nicht von ihr, dann, junger Mann, tragen Sie es mit Würde und streichen Sie den Namen aus Ihrem Vokabularium. Rita hat das Absolute ihres Vaters: Ja oder Nein! Ein Vielleicht gibt es da nicht. Auch kein Zögern, Abwägen oder Hinhalten. Vielleicht hat

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