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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erfassen. So schlüpfte er uns durch …«
    »Und vorher?«
    »Da wurde ich 1934 entlassen … wieder eingestellt, in einem Nest begraben, wo ich Hühnerdiebe suchen mußte und ab und zu mal die Belästigung einer Bauernmagd durch einen überpotenten Bauernburschen untersuchte. Was geht uns dieser dumme Fall an, sagte der SS-Obergruppenführer in Hamburg. Dieser von Buckow war ein Sozi … geschieht ihm recht, dem roten Schwein! – Das war damals die Meinung. Frank Gerholdt hat einen Vorsprung von zwölf Jahren … ich werde mein ganzes Leben gebrauchen müssen, diesen Vorsprung einzuholen! Aber ich hole ihn ein! Ich weiß es, Kollege Reutter.«
    Der alte Kriminalrat hob die Schultern. »Ich bewundere Ihre Vitalität, Dr. Werner. Und ich bewundere Ihren Elan, mit dem Sie Dinge angehen, die jeder andere als ›Ungelöst‹ ins Archiv bringen würde. Ich glaube, die Düsseldorfer Unterwelt – soweit man in dieser braven und lebensfrohen Stadt von Unterwelt überhaupt sprechen kann – wird sich umstellen müssen und statt zu klauen auf der Kö Sommerblümchen verkaufen.«
    Dr. Werner steckte sich eine seiner geliebten Zigarren an, nachdem Kriminalrat Reutter dankend abgelehnt hatte. Er war völliger Abstinenzler, was ihm bei der Kriminalpolizei den heimlichen Spitznamen ›der impotente Reutter‹ eingebracht hatte.
    »Es gibt im Leben eines jeden Kriminalbeamten einen Fall, an dem sein Herz hängt. Der ihn sein ganzes Leben lang nicht mehr losläßt, der mit ihm gewissermaßen seelisch verwächst. Haben Sie nie so einen Fall gehabt?«
    »Doch.« Der alte Reutter nickte mehrmals heftig. »Aber ich konnte ihn lösen … was nicht heißt, daß ich ihn jemals vergessen würde. Der Fall des Massenmörders Kürten! Mein größter Fall.« Er winkte ab. »Sprechen wir nicht mehr davon. Es ist zu scheußlich. Es war und ist mir immer unverständlich, wie ein Mensch so etwas vollbringen kann! Da ist Ihr kleiner Kidnapper, der sein Opfer sogar noch großzieht und adoptiert, direkt eine rührende Geschichte für die ehemalige ›Gartenlaube‹.«
    Dr. Werner sah dem Rauch seiner Zigarre nach und trat ans Fenster. Auf der Straße schoben sich die Autoschlangen voran, strahlende Sommersonne lag über der elegantesten Stadt am Rhein.
    »Mein kleiner Kidnapper ist gefährlicher als Ihr Massenmörder Kürten«, sagte er sinnend. »Kürten war ein Triebmensch … aber dieser Gerholdt ist eine Intelligenzbestie! Seine Taten sind Glanzleistungen des Geistes! Wie er mich ausspielte – ich erkenne es an –, war ein Meisterstück, das so schnell nicht wiederholt werden kann. Auch wenn ihm die Zeit dabei half – er ist ein genialer Verbrecher!«
    »Sie scheinen ihn ja fast zu lieben«, spottete der alte Reutter. »Dann ist es ja bedauerlich, daß man Sie nach Düsseldorf holte. Jetzt ist Hamburg weit –«
    »Gerholdt lebt nicht mehr in Hamburg.«
    »Ach, das wissen Sie auch?«
    »Wenn er in Hamburg lebte, hätte ich ihn längst! Mir ist in Hamburg nichts entgangen. Jeder Beamte hatte zu allen Zeiten den Nebenauftrag, nach Frank Gerholdt zu fahnden.«
    Reutter sah nachdenklich auf den weißhaarigen, etwas gelichteten Kopf von Kriminalrat Dr. Werner. »Sie müssen diese Frau sehr geliebt haben …«
    Dr. Werner zuckte leicht zusammen. Er lächelte schwach.
    »Jugenderinnerungen eines alten Mannes, Herr Kollege.«
    »Und was wollen Sie tun, wenn Sie diesen Gerholdt wirklich entdecken? Ich nehme an, daß Ihnen da nur der sogenannte ›große Zufall‹ helfen kann. Sein Vergehen ist nach heutigen Maßstäben kein Kapitalverbrechen, vor allem, wenn sich herausstellt, daß er das Kind als sein eigenes aufgezogen hat und es beiden gut geht. Man wird hier von einem Vaterkomplex reden – ein guter Psychiater der Verteidigung wird den ganzen Prozeß herausreißen. Was versprechen Sie sich jetzt noch davon, Dr. Werner … jetzt, nach über dreiundzwanzig Jahren?«
    »Rechtlich wenig … da haben Sie recht, Herr Reutter. Aber ich werde mit Frank Gerholdt privat sprechen. Von Mann zu Mann!«
    Der alte Reutter sah seinen jüngeren Kollegen mit geneigtem Kopf an. »Sie machen sich unglücklich, Herr Dr. Werner.«
    »Ich hole nur etwas nach.«
    »Haß ist kein guter Berater! Vor allem nicht für einen Kriminalbeamten, der nur nüchtern seine Pflicht zu tun hat! Wir sind im Dienst geschlechtslose Wesen, die nur der Tatbestand interessiert. Alles andere ist Sache der Anklage und der Verteidigung … wir sammeln nur … die anderen werten aus! Das wissen

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