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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlanken Beine freigebend. Der Ausschnitt war über der festen, wohlgeformten Brust mit einer Nadel zusammengehalten. Das runde Gesicht war etwas blaß, so als käme sie wenig in die Sonne und hocke immer in den Gasträumen. Wundervoll aber war ihr Haar … ein Haselnußbraun, das rötlich schimmerte, wenn die Sonne darauf fiel, in kleine Locken gelegt, die dem Gesicht etwas aggressiv Reizendes verliehen. Die Lippen, ein klein wenig getönt, waren voll und das einzig hervorstechend Farbige in der Blaßheit.
    »Was ist schön?« fragte das Mädchen.
    Gerholdt lächelte zu ihr hinauf. »Alles, mein Fräulein. Der Sonntag, daß ich hier sitze, daß das Bier fünfunddreißig Pfennig kostet – am schönsten sind natürlich Sie.«
    »Das ist ein billiges Kompliment – das sagen sie alle! Wenn ich kassieren dürfte …«
    »Fünfunddreißig Pfennig oder andere, schönere Komplimente?«
    »Das erste wäre mir lieber.«
    »Bitte.« Gerholdt griff in die Tasche seiner Uniform und legte einen Fünfzigmarkschein auf den Tisch. Das Mädchen schob die Unterlippe vor.
    »Größer haben Sie's nicht?«
    »Leider nicht.«
    »Für fünfunddreißig Pfennig legen Sie fünfzig Mark hin.«
    »Das hat seinen Grund. Sehen Sie – Sie müssen jetzt zurück und wechseln. Dann kommen Sie wieder, Sie zählen mir das Geld auf den Tisch, ich zähle es nach – wenn ich zähle, fehlt eine Mark –, Sie zählen wieder nach, es stimmt. Dann zähle wieder ich – jetzt ist es eine Mark zuviel! So geht es hin und her … und ich habe – sagen wir zehn Minuten – Zeit, mich mit Ihnen zu unterhalten, Sie anzusehen, Ihnen zu sagen, wie nett ich Sie finde –, überhaupt, diese zehn Minuten werden die Krönung des Sonntags sein.«
    »Und andere Sorgen haben Sie nicht?« Das Mädchen schob die fünfzig Mark zurück.
    »Im Augenblick nicht.«
    »Aber ich!« Sie sah ihn mit wütenden Augen an. Süß ist sie, durchfuhr es Gerholdt. Wie ihre Augen blitzen, wie ihr blasses Gesicht plötzlich rötlich wird, so, als durchpulse das Blut schneller ihren Körper. Das Mädchen warf den Kopf in den Nacken. »Damit Sie nicht in die Versuchung kommen, lange Geld zu zählen … ich schenke Ihnen das Glas Bier! An diesen fünfunddreißig Pfennig werde ich nicht pleite gehen!«
    »Bravo! Ich nehme an!«
    Gerholdt steckte die fünfzig Mark wieder in den Uniformrock, erhob sich, grüßte und verließ das Lokal.
    Am nächsten Mittwoch fuhr er wieder hinaus ins Kölner Stadion und betrat, diesesmal in Zivil, den Gastraum. Das Mädchen stand am Spültisch und spülte die Gläser, als er eintrat und seinen Hut mit einem Schwung an den Garderobenhaken warf. Er hatte das zu Hause zwei Tage lang geübt, bis es vollendet aussah.
    Das Mädchen blickte ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an.
    »Das imponiert mir gar nicht«, stellte es nüchtern fest.
    »Guten Tag, meine Schöne.« Gerholdt nickte ihr zu und setzte sich an den gleichen Tisch wie am vergangenen Sonntag. »Ein Bier bitte.«
    »Zu fünfunddreißig Pfennig?«
    »Kein anderes!«
    »Bitte.«
    Das Mädchen zapfte, ließ das Glas unter dem Hahn stehen, bis der Schaum sich etwas setzte, und füllte dann auf. Dabei sah sie zu Gerholdt hinüber, der sie betrachtete und anscheinend in bester Laune war.
    »Ich kenne Männer, die setzen sich hierhin und fangen an zu himmeln«, sagte das Mädchen. »Ich frage mich manchmal, ob sie sonst nichts zu tun haben.«
    »Genug, meine Schöne. Aber manchmal packt sie die Sehnsucht, sie entfliehen dem grauen Alltag und stürzen sich in die Arme der Schönheit und der erahnten Liebe.«
    Das Mädchen kam um die Theke herum, stellte das Bier mit einem festen Ruck auf den Tisch und wandte sich ab.
    »In welchem Groschenheft haben Sie denn das gelesen?«
    »In ›Zwiespalt der Liebe‹. Oder halt! War es vielleicht ›Die Ehe der Gräfin Hummelstein‹? Es kann auch in ›Wenn du weggehst, sterbe ich‹ gewesen sein … Immerhin müssen Sie zugeben, daß es schön klingt. So romantisch, so voller Seele. Wie das Aufgehen des Mondes an einem dunklen Nachthimmel – dann sind die Bäume wie Silber, der stille See träumt, das Käuzchen schreit, die Frösche quaken, und der stolze Jäger umarmt wild seine Vroni und stammelt: Durch dich wird diese Welt erst vollkommen!«
    Das Mädchen nickte. »Genau das habe ich gedacht! Bei Ihnen ist wohl 'ne Schraube ganz locker, was?«
    »Es liegt nur an Ihnen, sie wieder fest anzuziehen.«
    »Ich bin Servierfräulein, aber kein Monteur.« Sie spülte wieder die

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