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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mineralwasser.
    »Mein Privatbüro«, lachte Gerholdt und bot den drei ein wenig erstaunten Herren Platz auf den alten Stühlen an. »Meine Sekretärin hat gerade Urlaub, der Bürochef ist krank, der Hauptbuchhalter ist zur Hochzeit seiner Kusine. Ich nehme an, Sie haben sich einen anderen Betrieb vorgestellt, nicht wahr? Das, was man ein Werk nennt! Ich muß Sie nun enttäuschen: Ich bin ein ganz kleiner Krauter, der im Lohnauftrag Federn stanzt.«
    »Das soll ja nun anders werden.« Einer der Herren entnahm seiner hellen Ledertasche ein dünnes Aktenstück und blätterte darin herum. »Uns liegt hier ein Schreiben vor, daß Sie mit Unterstützung eines staatlichen Sonderfonds Ihren Betrieb erweitern möchten. Sie sind Mitglied der Partei?«
    »Ja. Auch der SA.«
    »Wir wissen. Was haben Sie als Sicherheit zu bieten für einen eventuellen Kredit?«
    »Nichts.«
    »Das ist wenig.« Die drei Herren wechselten einen schnellen Blick. »Man sagte uns, daß Sie sofort einen türkischen Auftrag annehmen würden, wenn Sie die Kapazität Ihres Betriebes erweitern könnten.«
    »Das stimmt.« Gerholdt setzte sich auf die Kante des Schreibtisches und nahm einen Schluck aus der Mineralwasserflasche. »Wenn ich sage, es stimmt, so kann ich mich nur auf das verlassen, was man mir selbst erzählt hat. Wie Sie sehen, ist das, was Sie Betrieb nennen, eine elende Bude mit Maschinen. Die Baracke läuft auf Abzahlung, die Maschinen sind geliehen von der Walzwerk AG, ich bin nichts anderes als ein winziges Rädchen im Getriebe dieses Konzerns, das von der Gnade eines Herrn Berger lebt, der den Ehrgeiz hat, daß sein Betrieb mit hundert Prozent in der Partei ist!«
    Die drei Herren hielten es unter ihrer Würde, darauf zu antworten. Sie wechselten nur schnell wieder einen Blick und packten den dünnen Aktendeckel in die helle Ledertasche zurück.
    »Wenn wir bereit wären, Ihnen die Mittel zum Aufbau einer eigenen Firma zu geben, müßten wir damit die Einstellung eines Herren verbinden, der als Produktionsleiter Sie entlastet.«
    In Gerholdt zuckte eine Flamme auf. Plötzlich, schlagartig, wie nach einer alles niederreißenden Explosion, sah er die Wahrheit des Angebotes und verstand das Mißtrauen, das Irene aus ihrem feinen Gefühl für alle dunklen Dinge heraus geahnt hatte. Er umklammerte die Mineralwasserflasche und bezwang sich, sie nicht den Männern vor sich an den Kopf zu werfen.
    »Reden wir ein klares Deutsch, meine Herren«, sagte er gepreßt. »Sie geben das Geld, der Betrieb wird vergrößert, ich stelle den Namen – ein friedliches Aushängeschild – aber der Chef ist dieser sogenannte Produktionsleiter. Und hergestellt werden Dinge, die laut internationaler Verträge für Deutschland verboten sind. In Suhl Gewehrläufe, in Essen Kanonenrohre, in Augsburg Panzerketten, im Thüringer Wald Gewehrschäfte, in Berlin und München Flugmotoren und bei mir, dem ganz kleinen, proletarischen, emporgekommenen Arbeiter dumme Federn aller Größen, Stärken und Profile, die später, irgendwo eingebaut, das Schießen ermöglichen oder das Fahren oder das Fliegen.«
    »Wofür Sie produzieren, kann Ihnen doch gleichgültig sein. Die Hauptsache ist, daß Sie Arbeit haben und gut daran verdienen.«
    »Und ich mache mich abhängig von staatlichen Plänen.«
    »Jetzt sind Sie abhängig von den Plänen der Walzwerk AG. Sie liefert im übrigen auch für den Staat. Die ganze Produktion wird staatlich gelenkt … sollten Sie das noch nicht gemerkt haben? Was produziert wird, wie produziert wird, die Absatzmärkte, die Preise, die Kapazitäten … alles bestimmt die Planung der Jahrespläne. Im übrigen sei Ihnen gesagt, daß wir auf Sie nicht angewiesen sind.«
    Die drei Herren erhoben sich und verließen die Baracke. Gerholdt brachte sie nicht einmal bis an die Tür. Er saß auf der Schreibtischkante und stierte vor sich auf den schmutzigen Zementboden. Er suchte nach einer Erklärung für sein Verhalten und fand sie nicht. War es die Warnung Irenes gewesen? Hatte er plötzlich einem Gefühl von Vorsicht nachgegeben? Spürte er instinktmäßig eine Gefahr hinter dem Angebot? Er wußte keine Antwort auf seine Frage und nickte, als das Telefon schrillte.
    Der Exportkaufmann. Er würde toben und schreien. Zögernd hob er den Hörer ab und meldete sich.
    »Du Vollidiot!«
    Das war das erste Wort, was er hörte. Er nickte wieder, legte den Hörer auf den Tisch, trank die Flasche Mineralwasser leer und lauschte auf die schnarrende Stimme im

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