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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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diesen drei gewonnenen Prozenten wollte er systematisch ein Privatkonto Ritas auffüllen. Ein Konto, das keiner anrührte und keiner kannte. Auch wurde besprochen, die Fabrik als eine Kommanditgesellschaft zu führen. Kommanditisten sollten neben Gerholdt seine Tochter Rita und die zukünftige Ehefrau Irene Hartung sein.
    Am Abend stand Frank Gerholdt wieder allein neben seinem kleinen Opelwagen und starrte hinüber zu der dunklen Fabrik. Der Rhein rauschte und klatschte an das flache Ufer. Zwischen dicken Wolken schwamm der Mond. Es war, als läge er in einer riesigen, milchglasigen Badewanne.
    In dem dunklen Komplex der Gebäude brannte nur hinter einem Fenster Licht. Das Zimmer Jakob Silberbaums. Er saß an seinem Schreibtisch und trank allein, versonnen eine Flasche Wein.
    Er nahm Abschied von seinem Lebenswerk.
    Frank Gerholdt öffnete die Tür des Wagens. Er glaubte, alles richtig gemacht zu haben. Er sagte sich vor, den entscheidenden Schritt heute gesetzt zu haben. Was jetzt kam, würden Jahre einer Aufbauarbeit sein, die keine Ruhe kannten und kein Verschnaufen.
    Bevor er in den Wagen stieg, warf er noch einmal einen Blick zurück. Zwei Schornsteine … zwei Hallen … ein kleines Bürogebäude … ein Lager … ein Lagerplatz … ein Lokomotivschuppen … eine Rampe am Rhein …
    Gerholdt legte die Hände aneinander. Eine fast irrsinnige Freude stürzte über ihn herein wie ein Naturereignis. Er hätte schreien können vor Glück.
    Er hatte eine Fabrik. Eine eigene Fabrik.
    Die Zukunft Ritas war licht geworden.

3
    Die letzten Eisschollen trieben den Rhein hinab.
    An der Pontonverladerampe der ›Niederrheinischen Walzwerk KG‹ standen vier Arbeiter und stießen mit langen Eisenstangen die Schollen von den Pontons weg zurück in den Strom und die Strudel, die sie mitrissen, gegeneinandertrieben und zersplittern ließen. Träge quoll der Qualm aus den beiden hohen Schornsteinen. Über den Fabrikhof fuhren drei Elektrokarren und zogen kleine Wagen auf Gummireifen hinter sich her. Die Tore der beiden Hallen waren weit geöffnet … das Dröhnen der Pressen und das dumpfe Rollen der Walzenstraßen tönte bis zum Rhein hinunter zu den vier Männern, die das letzte Eis des Rheines von der Rampe wegstießen.
    Gerholdt stand am Fenster seines Privatbüros und sah hinaus auf die beiden Hallen. Es hatte sich in diesen Monaten vieles verändert. Der kleine Raum Jakob Silberbaums und das Zimmer, über dem einmal Buchhaltung stand, waren durch Wegnahme der Trennwand zu einem großen Raum geworden, in dem Gerholdt seine Verhandlungen führte. Auch die Bretterwand des ›Comptoirs‹ war verschwunden. Das ganze Bürohaus war umgebaut worden – große, lichte Räume waren so entstanden, abgetrennt durch undurchsichtige Glaswände, deren Schwingtüren geräuschlos hin und her pendelten. Das Eisentor vor dem Eingang war abgerissen worden … eine breite Einfahrt führte zu dem Bürohaus, das verputzt wurde und wie ein weißer Fleck gegen die noch dunklen Hallenwände abstach. Statt des Stacheldrahtes umzog ein brauner Holzzaun das ganze Grundstück … einmal würde es eine Mauer sein mit Einfahrten … später, wenn noch weitere Hallen hinzukamen und fahrbare Kräne an langen Eisenschienen über den Hof glitten und die Eisenplatten zu den Walzstraßen transportierten.
    Auch im Betrieb selbst war die neue, junge Hand spürbar. Herr Franz Kreck, der als erster die düsteren Ahnungen hatte, konnte seine Stellung als Hauptbuchhalter nur halten, weil seine Bücher wirklich makellos geführt waren. Seinen altmodischen Kneifer hatte er schnell gegen eine Brille umgetauscht und bearbeitete jeden Abend seine Glatze mit einem Haarwuchsmittel. Auch fühlte er sich bemüßigt, bei jedem Eintritt in das Chefbüro mit strammer Haltung und weit erhobener Hand »Heil Hitler!« zu rufen, weil Gerholdt der Ruf vorausging, ein altes Mitglied der SA zu sein. Das bedeutete für den bisher jüdischen Betrieb, vollkommen umzuschalten und dort supernational zu sein, wo man bisher Silberbaum zuliebe auf die Nazis geschimpft hatte. An erster Stelle war es Herr Kreck, der seiner Meinung Ausdruck gab, indem er feststellte:
    »Diese neue Luft war notwendig, Herr Gerholdt! Wir wären in dem Synagogengestank bald erstickt!«
    »Aber am Ersten jeden Monats haben Sie wie die anderen schön Ihr Händchen aufgehalten und Ihr Gehalt angenommen, was?« war die Antwort Gerholdts auf solche schleimigen Anbiederungsversuche. Herr Kreck wußte dann nie, ob es

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