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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Stille, baute er Stein für Stein seines Werkes weiter auf. Jeder Auftrag bedeutete eine Stufe der Leiter zum Empor, jeder Exportauftrag vermehrte die stillen Konten, die er in den Ländern unter den Namen seiner dortigen Vertreter anlegen ließ. In Deutschland nannte man das Devisenschiebung … für Gerholdt war es Sicherheit. Sicherheit für jenen Augenblick, an dem einmal sein Vorleben an die Öffentlichkeit kam und alles wieder zusammenbrechen mußte, was er aufgebaut hatte.
    Er dachte ungern an diese Möglichkeit. Er zwang sich, zu vergessen, wer er gewesen war. Nur die Gegenwart war maßgebend und die Zukunft. Er war der Fabrikant Frank Gerholdt. Es würde nicht lange dauern, und er würde die goldene Plakette bekommen. Was vor Jahren einmal geschehen war, schien wie ein Traum zu sein. Er verblaßte immer mehr. Nur Rita blieb von ihm übrig, Rita, sein Kind, das nie Not kennenlernen würde und so erzogen wurde, wie es ein Herr von Buckow nicht besser getan hätte.
    Bis zu diesem Tage, an dem die vier Arbeiter mit Eisenstangen das Eis von den Pontons der Verladerampe am Rhein drückten, war der Aufstieg langsam und mühsam gewesen. Heute, in dieser Stunde, stand Gerholdt vor der Möglichkeit, das Glück mit beiden Händen zu ergreifen.
    Er sah aus dem Fenster auf den Rhein. Hinter ihm saß in einem der neuen, tiefen Polstersessel Dr. Schwab. Ein noch junger Mann mit blonden, welligen Haaren, blauen Augen und einem merkwürdig eckigen Kinn. In der Hand hielt er eine dünne Kollegmappe. Auf dem Schreibtisch Gerholdts aber lagen vier lose Blätter, bedeckt mit einigen Zeichnungen und vielen, vielen Berechnungen. Die Augen Dr. Schwabs sahen erwartungsvoll auf Gerholdt.
    »Warum bieten Sie gerade mir diese Sache an?« fragte Gerholdt. Über den Fabrikhof fuhren wieder die Elektrokarren, Eisenplatten, Eisenbänder, ein Formstück, gegossen in der neuen, aber noch kleinen, auszubauenden Gießerei.
    »Ich glaube, daß ich mit Ihnen als einem jungen Betrieb gerade dieses Patent in mehr Ruhe und mit mehr Verständnis weiterentwickeln kann als bei den großen Werken. Sie kaufen die Sache auf und lassen sie womöglich liegen oder detaillieren sie nicht. Ich halte ein kleines Werk für besser, wenn es darum geht, ein solches Patent gründlich auszuarbeiten.«
    »Sie denken also an eine Beteiligung?«
    »Nicht direkt. Ich würde mich freuen, wenn ich als Leiter einer neu zu gründenden Forschungsabteilung für Ihr Werk meine Erfindung entwickeln könnte. Wenn die Produktion anläuft, wäre vielleicht eine Prämie, die sich nach dem Umsatz richtet, nicht unbescheiden.«
    Gerholdt wandte sich in den Raum zurück. Er war in diesen Monaten etwas voller geworden. Nur die strengen Falten des ehemals asketischen Gesichtes waren geblieben, diese tiefen Furchen an den Mundwinkeln, die seinem Antlitz immer etwas Gequältes verliehen. Dr. Hans Schwab, der junge Diplomingenieur aus Krefeld, folgte Gerholdt erwartungsvoll mit den Blicken. Dieser ging in dem großen Raum hin und her. Er rang mit sich und seinen Grundsätzen, denen er zum erstenmal untreu zu werden begann.
    »Sie wissen, was aus meiner Fabrik wird, wenn ich Ihr Patent in mein Programm aufnehme?«
    »Ja, Herr Gerholdt.«
    »Ein Rüstungsbetrieb! Ein geheimer Rüstungsbetrieb, der alle Versailler Verträge verletzt.«
    »Die Versailler Verträge waren ein Verbrechen.«
    »Was Sie hier herstellen wollen, ist ein noch größeres.«
    »Es gibt dem deutschen Volk einen Vorsprung für Jahrzehnte.«
    »Einen Vorsprung – wofür? Für die Machterweiterung eines Hitler? Für einen möglichen neuen Krieg?«
    »Wer denkt an Krieg, Herr Gerholdt?« Dr. Schwab lächelte schwach. Er ist ein Pessimist, dachte er. Er ist vor allem kein Nationalsozialist, wie man mir sagte. »Mit meiner neuen Stahllegierung können wir eines Tages Raketen herstellen, die beim Abschuß nicht den Mantel ihres Treibsatzes zerstören. Die Legierung – das zeigt meine Berechnung – hält extremste Belastungen und Drucke aus. Wir sind unserer Zeit um mindestens zwanzig Jahre voraus, wenn Sie zugreifen.«
    Gerholdt blieb vor seinem Schreibtisch stehen. Die Zahlen auf den weißen Blättern flimmerten vor seinen Augen. Raketen. Ein Stahl, der ungeheure Druckstärken aushält. Zwanzig Jahre allen anderen voraus! An der Spitze der deutschen Industrie, wenn Dr. Schwabs Berechnungen stimmen.
    Er atmete tief auf, um sein stark klopfendes Herz zu beruhigen. »Was wird dieses Experiment kosten?«
    »Im Zeitraum der

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