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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gerholdt sah sich nach Silberbaum um. Er stand hinter ihm und blickte wie Gerholdt über den Rhein hinweg auf die Wiesen des gegenüberliegenden Ufers. Weidenbüsche ragten bis ins Wasser. Fast wie am Niederrhein, dachte Gerholdt. Wie bei Emmerich und Kleve. Aber etwas weiter, im Regennebel wie Schemen wirkend, sah er einen Wald von Schornsteinen. Silberbaum folgte dem Blick Gerholdts.
    »Die Kupferhütte Duisburg.«
    »Ich weiß, Herr Silberbaum.«
    »Zwanzig Jahre habe ich Halbfertigteile an sie geliefert. 1933 erhielt sie eine neue Leitung – – – zwei Tage später bekam ich einen Brief: Sie werden verstehen, wenn unsere Zubringerindustrie nur noch arisch sein kann. – Ganz klar war das, logisch sogar. Ich habe den Brief abgeheftet und mußte dreißig Arbeiter entlassen. Dann kam das Arbeitsamt und wollte mich zwingen, die dreißig wieder einzustellen! Ich dürfte im Dritten Reich nicht einfach Arbeiter entlassen. ›Und wovon soll ich sie bezahlen?‹ sagte ich. Die lakonische Antwort: ›Wenn's Ihnen zu schwer wird, verkaufen Sie doch! Oder machen Sie Konkurs! Oder knabbern Sie Ihr dickes Privatvermögen an! Auf jeden Fall bleiben die Arbeiter so lange bei Ihnen, bis wir sie anderweitig untergebracht haben.‹ Das dauerte sieben Monate! Sieben Monate, in denen ich sie aus meiner Tasche bezahlte, denn sie saßen nur herum und taten nichts. Ich bekam ja keine Aufträge mehr!«
    Frank Gerholdt steckte die Hände in die Taschen seines Regenmantels. »Wieviel?« fragte er.
    Jakob Silberbaum verstand sofort. »Als Anzahlung zunächst Fünfzigtausend. Damit geht die Fabrik in Ihren Besitz über. Mit allen Passiva natürlich. Für die weitere Abrechnung würde ich eine stille Gewinnbeteiligung von zehn Prozent vorschlagen. Ein Privatvertrag, von dem niemand etwas zu wissen braucht. Sie fahren gut dabei … Ich bin ein alter Mann und werde nicht lange mehr Ihr Teilhaber sein.« Er lächelte schwach. »Vielleicht hilft sogar der Staat nach, daß Sie schnell selbständig werden.« Silberbaums Stimme zitterte ein wenig. »Heute singen sie noch: Stellt die Juden an die Wand – – – morgen werden sie es vielleicht tun!«
    »Sie wollen nicht ins Ausland?«
    Silberbaum schüttelte schwer den Kopf.
    »Wo soll ich alter Mann noch hin? Emigration ist etwas für die Jüngeren.«
    »Sie haben keine Nachkommen?«
    »Eine Tochter. Sie ist verheiratet. In Düsseldorf. Mit einem Arzt. Sie wurde ausgezahlt, als sie heiratete. Mein Schwiegersohn will eine Praxis in New York gründen.«
    »Er ist auch Jude?«
    »Nein. Aber meine Tochter. Und er liebt sie. Darum geht er weg aus Deutschland.«
    »Und Sie wollen nicht mit nach New York?«
    »Ein alter Mann hindert nur. Er ist ein Ballast, gerade in der Fremde, die man erst erobern muß. Ich wurde hier geboren, und ich will hier auch bleiben, bis alles vorbei ist. Es wird nicht lange dauern«, wiederholte er.
    »Kommen Sie.«
    Gerholdt wandte sich vom Rheinufer ab und ging durch den grauen Tag zur Fabrik zurück. Trippelnd folgte ihm Herr Silberbaum. Er putzte dabei seine Brille, die durch die feuchte Luft beschlagen war.
    Im Privatbüro sah Gerholdt die Bilanzen durch, die der Glatzkopf plötzlich sehr unterwürfig hereintrug. Es hatte sich herumgesprochen, daß der Regenmantel voraussichtlich der neue Chef werden würde. Ein Chef, der schon bei seinem ersten Eintritt brüllte und das Büro aus der Lethargie scheuchte.
    »Danke«, sagte Gerholdt knapp, als der Glatzkopf die Geschäftsbücher aufschlug. »Das andere mache ich allein!«
    Herr Franz Kreck, wie der Glatzkopf hieß, empfahl sich schnell. Im Büro setzte er sich ächzend auf seinen Stuhl und sah die erwartungsvollen anderen zwei Buchhalter düster an.
    »Wenn der den Laden kauft, wird es Veränderungen geben«, sagte er ahnungsvoll. »Das ist einer von dem neuen Unternehmertypus: hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder! Mit der Silberbaumschen Gemütlichkeit ist es aus!«
    Als es Abend wurde, hatten Gerholdt und Silberbaum den Kaufvertrag im Rohbau zusammengestellt. Es waren zwei Verträge … einer für den Notar mit einer Anzahlung von fünfundfünfzigtausend, nach der Frank Gerholdt Alleinbesitzer der Fabrik wurde. Den Rest von hundertzwanzigtausend Mark sollte er in fünf Jahresraten zahlen, einschließlich siebeneinhalb Prozent Zinsen. Der zweite Vertrag lautete über eine stille Teilhaberschaft Herrn Jakob Silberbaums in Höhe von sieben Prozent auf Lebenszeit. Gerholdt hatte drei Prozent noch heruntergehandelt … mit

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