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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schrotthandel.«
    »Ein lukratives Geschäft. Und das Kind?«
    »Lebt bei einem alten Mütterchen, das er sich für die Pflege anstellte. Wir haben es verhört.«
    »Und?« Der Präsident beugte sich gespannt über den Tisch.
    »Wenig. Das Kind heißt Helga. Es ist blond. Hans Weidel ist sehr nett zu ihm, auch zu dem Mütterchen. Er spricht Hamburger Dialekt.«
    »Das tat Gerholdt auch?«
    »Unbekannt. Darüber hat niemand etwas ausgesagt.« Dr. Werner nahm einen vorsichtigen Schluck Wein. Der Rüdesheimer Goldberg wollte geschlürft und genossen sein. Wie in allen Dingen des Feingeschmackes, vor allem beim Rauchen seiner Zigarren, machte Dr. Werner aus dem Trinken eines guten Weines eine edle Tugend, die seinem Wesen als Ästhetiker angepaßt war.
    Der greise Polizeipräsident wiegte unschlüssig den Kopf wieder hin und her. Sein Pessimismus gerade im Falle dieses Gerholdt hatte bisher immer einen gesunden Boden gehabt.
    »Sie schneiden sich in den Finger, Werner.«
    »Mit Hans Weidel? Vielleicht.«
    Der Präsident hob die Augen. Er war verblüfft. »Sie glauben selbst, daß Weidel nicht Gerholdt ist?!«
    »Ich möchte mir einreden, er sei es. Das wäre ein zu schöner Wunsch und eine geradezu märchenhafte Erfüllung.«
    »Aber warum dann dieser Rummel?«
    Dr. Werner lächelte in sein Glas hinein. Er nahm fast die Züge eines Wilhelm Buschschen Genießers an oder eine Personifizierung Morgensternscher Galgenvögel. »Wenn der Fall verjährt, ist uns Gerholdt für immer entwischt. Gelingt es aber, kurz vor der Verjährung eine Wiederaufnahme zu inszenieren, mit allen Voruntersuchungen, Beweisaufnahmen und was so alles zusammenkommt, dann wird die Verjährung hinausgeschoben und läuft noch einmal um den vollen Zeitraum weiter. Das heißt, daß wir Gerholdt noch ein Jahrzehnt lang jagen können – – – auch, wenn die Spur Weidel falsch war. Weidels Verhaftung und Untersuchung rettet uns in jedem Fall die weitere Verfolgung Gerholdts!«
    »Sie sind ein raffinierter, ein gefährlicher Fuchs, Werner.« Der alte Präsident trank sein Glas leer und schüttete sich aus der Flasche wieder ein. »Sie müssen ja eine Heidenwut auf diesen Gerholdt haben.«
    Dr. Werner sah auf die Spitze seiner Zigarre und löste vorsichtig die Aschenkrone am Rande des Aschenbechers. »Wut ist nicht der richtige Ausdruck, Herr Präsident. Um einen frivolen Vergleich zu bringen: Ich bin wie ein geschändetes Mädchen, das jetzt ein Leben lang seinen Verführer sucht. Ich werde nie das Telefongespräch mit Gerholdt vergessen, nach dem das Leben Rita von Buckows an einem dünnen Faden hing. Damals war ich mir sicher, daß er das Kind zurückgibt. Zu sicher. Bis er das Medikament stahl … bei Buckows, in der Apotheke. Damit versetzte er mir einen Schlag, unter dem ich heute noch leide.«
    »Und wessen wollen Sie ihn jetzt anklagen, wenn Sie ihn wirklich einmal fangen?«
    »Nicht des Einbruchs, nicht der Kindesentführung, nicht der Körperverletzung des Kindermädchens … das sind in der heutigen Justiz kleine Fische, die niedergeschlagen würden, weil von Buckow ein Sozialdemokrat war. Ich werde ihn anklagen des mittelbaren Mordes an Frau und Herrn von Buckow.«
    »Das wird unmöglich sein, Dr. Werner«, sagte der Präsident entsetzt. »Das gibt es ja gar nicht.«
    »Dann wird man es einführen! Frau von Buckow wäre ohne diese Tat nie irrsinnig geworden, und der Wagen wäre nie das Elbufer hinabgestürzt! Das war Mord!«
    Der Präsident schwieg. Er sah in den Augen Dr. Werners eine plötzliche Welle von Haß, die ihn erschütterte. Das Wesen des ruhigen, besonnenen Mannes war aufgewühlt und jenseits aller Vernunft, die ihn bisher auszeichnete.
    Wer wußte auch, daß Dr. Werner die große blonde Renate von Buckow einmal geliebt hatte … heimlich, still, versonnen in dem Ideal, sie einmal heiraten zu können. Damals, als er Primaner war und Renate das Lyzeum besuchte, und später, als junger Student der Rechte, wenn er gegen Mittag abseits an der Straßenecke stand und beobachtete, wie die schlanke, schöne Renate Iversen mit ihren langen, blonden Haaren mit anderen Primanerinnen die Schule verließ. Später heiratete sie jung noch den Reeder von Buckow, während Dr. Werner als schmaler Assessor in Hannover im Aktenstaub erstickte. Er sah sie erst wieder, als er in die Villa kam, um sie zu trösten und ihr die Rückgabe des Kindes zu versprechen. Eine gehetzte, zerbrochene Renate, deren flackernder Blick Dr. Werner erschreckte und sich tief

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