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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in sein Herz grub.
    Dr. Werner seufzte. Er trank langsam sein Glas leer und stellte es vorsichtig, als könne der dicke Fuß zerbrechen, auf den Tisch.
    »Ich habe eine gewisse moralische Verpflichtung, mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln nach Gerholdt zu fahnden«, sagte er sinnend. »Schliemann brauchte Jahrzehnte, um Troja auszugraben … für mich ist dieser Gerholdt mein Troja, dem ich Jahrzehnte opfern könnte …«
    *
    Das Richtfest war vorüber. Noch flatterten die bunten Bänder vom Gerüst des Daches, der Richtkranz wiegte sich im Frühlingswind. Man ahnte schon das endgültige Gesicht des langen, repräsentativen Baues, der einmal weiß leuchtend inmitten von Wiesen und Blüten, Bäumen und Sträuchern zu den Schiffen hinübergrüßen würde, die langsam den breiten Rhein hinauf- und hinabglitten.
    Manch einer mochte dann an der Reling der Schiffe stehen und hinüberblicken auf das Haus. Ein Traumhaus, mochte er denken. Wer mag darin wohnen? Auf jeden Fall hat er Geld. Selten sieht man ein solches Landhaus, eine solche Großzügigkeit der Konzeption, eine solche Verschwendung von Raum. Ab und zu sah man dann auch vielleicht ein goldlockiges Mädchen über den Rasen tollen, begleitet von einem rotweißen Shetland-Pony, das wie ein Hund hinter ihm herlief und es spielend mit der Nase antupfte. Lauf, Rita, lauf … wir spielen Nachlaufen. Ich fange dich … ich, Joyce, das Pony … Und Rita lief, am Ufer des Rheines entlang, jauchzend, die Haare im Wind flatternd. Ein Teil Lebensfreude, ein Strahl der Sonne, ein Stück seligen Glückes.
    Auf der Terrasse saß an den Sonntagen auch ein mittelgroßer, stämmiger Mann mit ergrauenden Schläfen und sah dem Kinde zu. Sein Herz war weit und glückselig.
    Dr. Schwab war Direktor der neuen Stahlgußwerke geworden. Sosehr sich Gerholdt dagegen gewehrt hatte, er war in den Sog der Aufrüstung gekommen und lieferte seinen Stahl mit der ungeheuren Festigkeit für Panzerbeplattung und Schiffsausrüstungen. In der geheimen Versuchsanstalt in Norddeutschland stellten sie Versuche mit Raketen an, deren Mantel aus dem Schwabschen Stahl bestand. In seiner Fabrik saßen jetzt zwei Ingenieure des Wirtschaftsministeriums. Sie nannten sich wenigstens so. In Wahrheit waren es zwei Beamte des neuen deutschen Geheimdienstes, die das Werk von allem abschirmten, was nicht vorher genau untersucht worden war. Ein Export war unmöglich geworden. »Wir lassen diesen Stahl doch nicht ins Ausland, bester Herr Gerholdt«, sagte man in Berlin. »Wo denken Sie hin? Wir zahlen Ihnen eine Ausfallsumme für den Export. Das ist müheloses Geld für Sie! Ihr Stahl bleibt in Deutschland! Der Führer hat sogar angeordnet, daß Ihre Produktion als Geheime Reichssache betrachtet wird. Um nicht ganz aufzufallen, können Sie weiterhin Druckkessel und Kaltwalzteile ausführen … es stehen Ihnen dafür alle Devisenkonten zur Verfügung.«
    Ein Aufstieg in den Himmel, das empfand auch Gerholdt, als er mit einem Privatflugzeug des Ministeriums in Köln-Ossendorf auf dem Flugplatz landete. Längst waren die grünen Wiesen neben den Hallen, die einmal Jakob Silberbaum mit einem rostigen Stacheldraht umzogen hatte, mit neuen Hallen und Bürogebäuden zugebaut worden … die Fabrik wuchs sogar nach beiden Seiten hinaus, das Ufer des Rheines entlang. Auf Grund eines Gesetzes wurden die Bauern enteignet und pauschal entschädigt. Staatswichtig, hieß es. Ein guter Parteigenosse unterstützt das neue Reich!
    1938 besuchte Hermann Göring das Werk. An allen Ecken und von allen Dächern der Fabrik flatterten die Fahnen. Eine Kapelle der Luftwaffe stand im Hof und spielte den Präsentiermarsch. Auf der Straße, vor der langen, neuen Anfahrt, stand eine Kompanie und präsentierte. Die fast fünfzehnhundert Arbeiter hoben die Hand und schrien Heil. Es war ein durchaus feierlicher Tag, ein Höhepunkt der Niederrheinischen Walzwerke.
    Frank Gerholdt gab in seinem neuen Haus am Rhein einen Empfang für Hermann Göring. Rita sagte ein Gedicht auf und bekam eine große Schachtel Pralinen geschenkt. Fräcke und glitzernde Uniformen wogten durch die Räume, über die Terrassen, über die Wiesen bis hinunter zum Rhein. Der ganze Park war mit Lampions erleuchtet … auf dem Höhepunkt des Empfanges fuhr die kleine Flotte der Stahlwerke den Rhein hinauf … sieben Schlepper, über und über mit Glühlampenbändern illuminiert. Ein donnerndes Hurra! Hurra! schallte vom Rhein hinüber zu den begeisterten Gästen auf der

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