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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in einer alten Weinstube zu einem Wiedersehen. Der Frühling wehte über die Stadt, die ersten Ausflugsboote fuhren die Hafenbesichtigungen an den Kais und riesigen Stahlkränen vorbei, an den Lagerhäusern und Silos, Fruchthallen und Kohlenlagern.
    Dr. Werner sprang von seinem Stuhl auf, als der Polizeipräsident das Lokal betrat, und eilte ihm entgegen. Er half ihm aus dem Mantel und freute sich, daß der alte Herr ihm gutgelaunt auf die Schulter klopfte.
    »Ein bißchen grau geworden, Dr. Werner.«
    »Es sind immerhin fünf Jahre ins Land gegangen, Herr Präsident.«
    »Fünf Jahre schon. Wie die Zeit rast, Werner. Auch ich bin klapprig geworden. Arthritis … ein scheußliches Gefühl.« Sie setzten sich in eine Ecke, umgeben von dunkel getäfelten Wänden. Dr. Werner bestellte eine Rüdesheimer Rosenberg Spätlese und betrachtete seinen ehemaligen Präsidenten genauer. Das Forsche war von ihm gewichen … er war ein Greis geworden, ein Greis, der darunter litt, daß man ihn 1933 einfach wegjagte, wie man einen flegelhaften Jungen aus der Schulklasse weist. Fast über Nacht erschien der neue Präsident, ein SS-Gruppenführer, und setzte den alten Herrn vor die Tür. Das war ein Schlag, den er nie überwinden konnte und der ihn schneller altern ließ, als es seine Natur vorschrieb.
    Dr. Werner füllte den goldgelben Wein in die bauchigen Gläser. »Stoßen wir auf unser Wiedersehen an, Herr Präsident.«
    »Auf Ihre weiteren schönen Erfolge, Dr. Werner.«
    Sie tranken und verharrten eine Weile andächtig im Genuß des Weines. Dann nahm Dr. Werner ein Lederetui aus der Tasche und entnahm ihm eine gute, hellblonde Zigarre. Der Präsident lächelte.
    »Noch immer verliebt in Havanna?«
    »Das wird sich nicht ändern bis zum endgültigen Rauchverbot.« Er schnitt die Spitze ab, beleckte sie ein wenig, damit das Deckblatt nicht abblätterte, und zündete sie an.
    »Eine fast sakrale Handlung«, spottete der Präsident.
    Dr. Werner blies einen kunstvollen Ring gegen die dunkle Decke.
    »Fast die einzige Freude, die mir noch geblieben ist.«
    »Und Ihr Beruf.«
    »Zum Kotzen, Herr Präsident. Die Kriminalpolizei ist eine Farce geworden. Kapitale Fälle werden nach ihrer Aufdeckung der Gestapo überstellt. Was dort geschieht – na ja, schweigen wir. Mit Justiz und Gerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun. Aber können wir es ändern?«
    Der alte Präsident nickte schwermütig. Doch dann blitzten seine Augen wieder auf. Er beugte sich über den Tisch hinweg und tippte Dr. Werner auf die Schulter.
    »Was macht Ihre Blamage?«
    »Welche?«
    »Ihre größte: der Fall Gerholdt.«
    Dr. Werner legte die Zigarre auf den Rand des großen Aschenbechers. »Er wird in Kürze wieder aufgerollt werden.«
    »Sie haben ihn, Werner?!«
    »Ich weiß es noch nicht. Die Ermittlungen laufen geheim, fast illegal. Der neue Präsident hat damals die Weiterverfolgung eingestellt. Ich unternehme die ganze Sache privat.«
    »Immer noch der alte Feuerkopf?«
    »Das nicht. Aber es läßt mir einfach keine Ruhe, daß diese gemeine Tat meinen Fingern entgleiten soll. Ich habe in Bremen einen Mann beschatten lassen, auf den die Beschreibung dieses Frank Gerholdt paßt. Er wohnt in einem Außenviertel Bremens und hat ein Kind, das jetzt fünf Jahre alt ist. Ein Mädchen. Das Alter stimmt also. Die Mutter ist angeblich gestorben. Der Mann – er nennt sich Hans Weidel – zog 1932 – man beachte das Jahr – nach Bremen und kam aus Hamburg! Mit einem Säugling!«
    Der Präsident umklammerte sein Weinglas. »Und warum greifen Sie nicht zu?! Wenn das keine stichhaltigen Indizien sind – – –«
    »Ich brauche Beweise, um bei der vorgesetzten Behörde die Wiederaufnahme zu beantragen. Ich bin dabei, das Vorleben dieses Hans Weidel aufzurollen. Es beginnt in Hamburg und endet in Bremen! Ein kleiner Zeitraum von sieben Jahren … was davor war, liegt in tiefem Dunkel.«
    »Was bei Frank Gerholdt aber durchaus nicht der Fall war, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Bei Gerholdt hatten wir alle Unterlagen, von der Geburt an. Das eben macht mich stutzig. Dieser Hans Weidel hat überhaupt kein Vorleben. Alles ist dunkel. Wenn er Gerholdt ist, hat er selbstverständlich ein großes Interesse daran, daß sein wahrer Name nie ans Licht kommt. Deshalb die Vertuschung seines Vorlebens.«
    »Eine sehr gewagte Kombination, Dr. Werner.« Der Präsident wiegte den weißhaarigen Kopf hin und her. »Was macht er denn, dieser Weidel?«
    »Er lebt vom

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