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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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langen Terrasse. Es war eine sehr wirksame, theaterreife Inszenierung Gerholdts.
    Acht Tage später traf der Dank ein. Die Stahl- und Walzwerke wurden zu Nationalsozialistischen Musterbetrieben erklärt. Ein Regierungsbeauftragter sicherte die Produktion auf Jahre hinaus. Die deutsche Wehrmacht wurde fieberhaft aufgebaut. Österreich kam zu Deutschland. Die Spannungen mit Polen verschärften sich. Die Politik schlug Kapriolen. Chamberlain und Daladier kamen nach München, um einen Krieg zu verhindern. Der dämonische Hitler siegte auch hier … er war der neue Napoleon, vor dem Europa zitterte.
    Dr. Schwab saß mit nachdenklichem Gesicht in seinem Direktionszimmer, als Gerholdt ihn eines Morgens aufsuchte.
    »Schlecht geschlafen, Doktor?«
    »Haben Sie die Morgenzeitungen gelesen, Herr Gerholdt?«
    »Noch nicht. Wieder ein Schachzug aus Berlin? Man gewöhnt sich schon bald an die politischen Überraschungen.«
    »Man beginnt, ein Kesseltreiben gegen Polen anzuzetteln.«
    »Wenn's denen in Berlin Spaß macht – – –«
    Dr. Schwab atmete tief auf. »Sie haben sich nie viel um Politik gekümmert, was?«
    »Nie, Dr. Schwab. Ich hatte alle Hände voll zu tun, mein Werk aufzubauen. Ich habe nicht nach rechts oder links gesehen – nur geradeaus auf das Ziel! Politik für einen Außenstehenden ist in meinen Augen so etwas wie eine Feiertagsbeschäftigung ähnlich dem Skat. Außerdem hat irgendein Philosoph einmal gesagt, daß die Politik schmutzige Hände verursacht.«
    »Ein Angriff auf Polen, ähnlich wie die Streiche in Österreich oder Böhmen und Mähren, bedeutete einen neuen Weltkrieg. Polen hat mit England und Frankreich ein Militär- und Hilfsbündnis. Es kommt in diesem Moment zur Ausführung, in dem ein deutscher Soldat polnisches Gebiet betritt.«
    »Na und?«
    »Das ist ein Weltkrieg, Herr Gerholdt!«
    »Wenn's denen da oben Spaß macht.«
    »Es werden Millionen Menschen fallen!«
    Gerholdt nickte. »Aber nicht Sie und auch nicht ich! Wir werden produzieren und Millionen verdienen.«
    Dr. Schwab sprang auf. Sein Gesicht war rot. Empörung durchzitterte seine Stimme. »Ich möchte Sie daran erinnern, Herr Gerholdt, daß Sie bei unserem allerersten Gespräch sich weigerten, meine Erfindung für militärische Zwecke zu gebrauchen. Sie waren der glühendste Pazifist, den ich je kannte. Sie haßten alle Gewalt!«
    Gerholdt hob die Schultern. Er sprach ruhig, gemessen, leidenschaftslos. »Dazwischen liegen Jahre, Dr. Schwab. Kurz nach der Übernahme Ihrer Erfindung durch mich, ein paar Tage nach der Bewilligung der ersten Million meines Lebens durch Berlin, lernte ich die andere Seite unserer Welt kennen, nämlich den Nutzen der Gewalt. Die Anwendung der unbedingten, konsequenzlosen Gewalt, die allein imstande ist, Dinge zu regulieren, denen mit Idealen nicht beizukommen ist. Seit diesem Tage – was es war, interessiert hier nicht – habe ich eine innere Schwenkung gemacht. Ich griff zum Zweck, der die Mittel heiligt. Der Erfolg gab mir wiederum recht. Immer habe ich bisher recht behalten, bei allem, was ich tat! Ein so gemeines Recht meiner Taten, daß ich manchmal selbst daran zweifle, ob es überhaupt auf dieser Erde Gerechtigkeit gibt. Und wenn es jetzt Krieg gibt, Dr. Schwab, werden wir an diesem gemeinen Krieg, an dem Blut der Millionen so unvorstellbar verdienen, daß uns schwindelig werden wird vor den Zahlen, die durch unsere Geschäftsbücher laufen. Aber diese Zahlen –« er klopfte mit der Faust auf den Tisch – »diese Millionen sind eine Realität! Und ich rechne nur noch mit Realitäten!«
    »Und wenn wir den Krieg verlieren?«
    »Halten Sie das jemals für möglich?«
    »Wir können keiner Welt in Waffen standhalten.«
    »Gut!« Gerholdt lächelte mokant. »Verlieren wir den Krieg, dann liefern wir unseren Stahl an die Sieger und verdienen weiter. Wir werden uns in allen Sätteln halten.«
    Wortlos verließ Dr. Schwab sein Zimmer. Er war angeekelt von der Haltung Gerholdts und verstand ihn nicht mehr.
    Die Produktion wurde verdoppelt. Berlin schaufelte Geld in die Werke am Rhein … es kam auf Millionen nicht mehr an. Wir brauchen Panzer, wir brauchen Flugzeuge, wir brauchen Stahlplatten für U-Boote, Schnellboote, Kreuzer. Stahl! Stahl! Wir sind in einem Wettlauf mit der Zeit und den anderen Völkern. Wir müssen schneller sein … die Welt wartet darauf, nationalsozialistisch zu werden.
    Frank Gerholdt wurde zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Er erhielt alle Vollmachten … er baute

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