Schicksal des Blutes
und Blutsklaven. In eine Welt, in der das Gesetz des Stärkeren galt, und in der sie weitaus mehr in Gefahr schwebte als hier, sogar, wenn das FBI, die CIA und alle Reporter der Erde sich gleichzeitig verbinden würden, um Amy fertigzumachen. Sein ‚Ekstase‘ in Nassau zog die tiefst gesunkene Brut seiner Rasse an und hatte den Namen nicht ohne Grund erhalten.
Und er war der Boss von alldem – auch nicht ohne Grund.
~ ~
Amy lauschte dem Schweigen und trank ausgiebig aus einer Wasserflasche, die neben ihrer Handtasche auf dem Nachttisch gestanden hatte. Ob Ny’lane sie dorthin gestellt hatte? Sie ließ sich zurück in die Kissen sinken und genoss seltsamerweise die Stille und gleichzeitig das Nichtalleinsein. Er war da. Zwar irgendwo beschäftigt, doch würde oder könnte er rasch bei ihr sein, wenn sie ihn benötigte. Sie hatte ebenso gespürt, von ihm nach dem Zusammenprall mit den Reportern verfolgt und gegenüber den FBIAgenten beschützt worden zu sein, obwohl er sich reichlich spät gezeigt hatte.
Amy fuhr sich mit der freien Hand über das Gesicht. Sie hatte einige Stunden geschlafen, aber viel besser ging es ihr nicht. Das merkte sie hauptsächlich an ihren Gedanken. Sie hoffte, nicht allzu lange zu brauchen, bis sie ihre Selbstsicherheit wiedergefunden hatte. Noch einen Zusammenbruch wie vor Cira wollte sie ums Verrecken vermeiden. Zumindest wusste sie nun ein paar mehr Details, weil sie ein längeres Telefonat mit Cira geführt hatte. Es war zwar immer wieder unterbrochen worden, weil ihre beste Freundin Dinge tun musste, über die sie nicht reden durfte, was bisher niemals vorgekommen war und Amy ziemlich frustete, sie es jedoch erst einmal gelassen hinnahm. Für sie alle waren die Ereignisse der jüngsten Wochen wohl ein wenig zu viel gewesen.
Amy senkte die Lider und atmete tief die Ruhe ein. Bildete sie es sich ein oder roch es nach Ny’lane? 131 Jahre alt war er, hatte Cira gewusst. Sie war ihm nur selten nahe gekommen, hatte seinen Vampirgeruch, wie Cira ihn nannte, eher unbewusst wahrgenommen. Als er in Jonas’ Schlafzimmer gedachte, ihr die Erinnerung an die Wesen zu nehmen und ihr mit seinem Zungenspiel an ihrer Halsschlagader glatt den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Als sie zusammen auf der Hochzeit tanzten und vorhin, als er sie aus der Bedrängnis des FBI befreite und stehen geblieben war. Ein Parfüm schloss Amy aus, denn obwohl dieser Duft so gar nicht zu Nyl passen wollte, gehörte er zu ihm wie ein Kleinkind an die Hand der Mutter. Balsamisch, überlegte sie, während sie schnüffelte, ein wenig süßlich frisch, definitiv nach würzigen Hölzern. Irgendwoher kannte sie den wohltuenden Geruch.
Amy drückte das Handy fester an ihr Ohr. Vampire brauchten nicht zu atmen, doch Nyl tat es. Ob der wortkarge Kerl ihr damit zu zeigen beabsichtigte, noch da zu sein, ihr Gesellschaft zu leisten? Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Seit sie Jonas und Nyl versprochen hatte, keine journalistischen Artikel über die Existenz von Wesen mehr zu veröffentlichen, was ihr, wie man jetzt sah, sicher den Pulitzerpreis eingebracht hätte, hatte sie gewissermaßen gar nichts getan. Wollte sie ihre Karriere tatsächlich beenden? Schließlich hatte sie die Klatsch- und Tratschecke ausschließlich mit ihrem Geburtsnamen bedient, was ein nicht wieder rückgängig zu machendes Versehen des Herausgebers gewesen war. Ihre grundlegende Laufbahn hatte sie unter streng geheimem Pseudonym 2003 begonnen und sich mit Ehrgeiz und einer gehörigen Portion Wagemut zu einer begehrten und unabhängigen Journalistin hochgearbeitet. Sie oder besser gesagt, ihr Alter Ego Betsy Star, war eine kleine Berühmtheit. Erst als sie 2011 Gerüchte über Wesen verlauten hörte und bei der Recherche bemerkte, dass ihr irgendeine Art von Antenne für diese eigentlich nicht existierenden Kreaturen der Nacht innewohnte, sammelte sie Informationen und veröffentlichte Artikel darüber. Aus Neugierde erwuchs ein inneres Bedürfnis, herauszufinden, was sie mit den Wesen verband und weshalb sie sich in der Lage befand, sie aufzuspüren. Aber seitdem sie nun gar nichts mehr tat, hatte sie sich nicht wirklich gut gefühlt. Ihr fehlte es, eine Aufgabe zu haben, etwas oder jemanden zu entlarven, etwas aufzudecken, ihrem temperamentvollen Spürsinn – egal wohin er sie führte – zu folgen. Etwas zu riskieren.
„Wann fliegen wir eigentlich los?“
„Was?“ Nyls Stimme klang höher als sonst.
„Auf die
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