Schicksal des Blutes
Aufmunterung gebrauchen konnten. Die Knaben grinsten und er verließ rasch das Hotel. Erst auf einem einsamen Friedhof blieb er stehen. Die Stille hatte ihn zweifellos gelockt.
Jonas drehte sich langsam im Kreis, begrüßte mit aufgeregt hämmerndem Herzen das milchige Mondlicht auf den Grabsteinen, das seinen Weg durch die Wolkenberge gefunden hatte, und blickte gen Nachthimmel – wie er es zeit seines Lebens getan und geliebt hatte, um sich im Gleichgewicht zu fühlen. Das durfte alles nicht wahr sein. Er war ein Hüter der Wesen. Ein Mitglied des Rates.
Er war ein Fürst.
Bahamas, Insel New Providence – 2. Mai 2011
N
y’lane drehte sich mühsam auf den Bauch und schob den Kopf seitlich unter das Daunenkissen. Er hievte beide Arme über die Enden des Kopfkissens und drückte sie hinab. Dunkelheit. Stille. Und doch endloser Krach in seinem Hirn, in seinem Körper. Fasern, Nerven, der Magen … Alles schrie nach mehr. Nach mehr, mehr, mehr!
Er ignorierte das leise Klopfen an seiner Tür, das ihn geweckt hatte. Selbst Cecilia wollte er jetzt nicht sehen. Er strampelte die Bettdecke von sich. Ihm war heiß. Sein Körper arbeitete auf Hochtouren. Entgiften, fordern, entgiften, fordern. Er stöhnte ins Kissen, als er die Hüften bewegte, und winkelte ein Knie zur Seite an, um seinen Hi n tern anzuheben. Das harte Ding zwischen seinen Oberschenkeln machte ihn wahnsi n nig. Das war schlimmer als jede Morgenlatte. Es lag an Amy. Sie war verdammt noch mal zu nah. Ihr Duft, Elisabeths zu ähnlich.
Er wälzte sich auf den Rücken, strafte seinen Ständer mit Ignoranz und fuhr sich über das Gesicht. So konnte das nicht weitergehen. Was er genau ändern sollte, wusste er nicht. Aber so ging es definitiv nicht weiter.
Nyl warf sich zur Seite, zog die Decke vom Fußboden über seine Beine bis zum Bauch hinauf und entriegelte mittels Telekinese die Sicherheitsschlösser. Fast hätte er den Schutzbann vergessen, der Cecilia ordentlich gegrillt hätte.
„Komm rein, Cecilia.“
Das zierliche Mädchen schloss gewissenhaft hinter sich ab. Er kannte sie zu gut, um die erschreckte Miene, die wegen seines desolaten Äußeren über ihr Gesicht husc h te, nicht korrekt zu deuten. Doch wie immer schwieg sie. Cecilia versuchte, stets nur das Gute zu sehen und zu erwähnen. Schreckliches, gar Unaussprechliches passierte in beinahe jedermanns Leben, das verdrängte sie nicht, aber sie ließ es unberücksichtigt. Wahrscheinlich hatte sie auf diese Weise überlebt.
„Wie geht es ihr?“ War das wirklich die erste Frage, die ihm über die Lippen kam, nachdem er Cecilia ein halbes Jahr nicht gesehen hatte? Er hatte Amy nur bei ihr abg e liefert und ihr barsch Anweisungen erteilt. Danach befreite er sich eigenhändig von den tief sitzenden Kugeln und war ordentlich in seinem Kummer versackt. Er hatte sich nicht einmal von einer Wildfremden die Wunden lecken lassen, dadurch waren die schlimmsten Löcher noch nicht verheilt. In seinem Magen und seinem Gehirn wütete ein Hurrikan, der Säure und Masse ungestüm gegen die Wände klatschte. Ihm war schlecht. Er konnte sich nicht ausstehen, aber warum zum Teufel ärgerte ihn das he u te? War schließlich nicht das erste Mal, dass er abstürzte wie der letzte Penner.
„Körperlich geht’s ihr recht gut.“
„Wie meinst du das?“ Nyl setzte sich am Holzrahmen des Kopfendes auf. Cecilia hob seine achtlos hingeworfene und blutverschmierte Kleidung auf. „Bitte, Cecilia, lass das. Red schon.“ Sorge breitete sich aus wie ein injiziertes Betäubungsmittel. Wie lange hatte er sich weggeschossen? Die Verheilung der Wunden hätte nur einen Bruchteil der Zeit in Anspruch genommen, wenn er sich hätte helfen lassen. Doch er hatte viel Zeit verstreichen lassen, ohne nach Amy zu sehen. Gedacht hatte er ständig an sie, Schmerz hin oder her, Koma hin oder her. Er biss die Zähne zusammen.
„Sie war natürlich ein wenig verwirrt.“
„Weil sie nicht wusste, wo sie war und wer du bist.“
„Ja.“
„Cecilia!“, schnauzte er sie an.
Sie sah ihn erschrocken an, dann senkte sie den Kopf. „So redselig kenne ich dich gar nicht.“
Nyl schloss kurz die Augen. Versuchte, seinen Kater zu verscheuchen und stand mit der Bettdecke um die Hüften auf. „Ich werde nach ihr sehen.“
„Sie schläft“, beeilte sich Cecilia mit ihrer Antwort.
Plötzlich übermannte Nyl eine vollkommen andere Sorge, die er außer Acht gelassen hatte, als er Cecilia zu Amy schickte, weil er der Vampirin
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