Schicksal des Blutes
winzigen Moment las Amy Bestürzung und Unglauben darin. Kaum merklich schüttelte Cecilia den Kopf. „Es wäre über meiner Würde, mich ihm anzubieten.“
Über ihrer Würde? Amy kannte nur, etwas unter der eigenen Würde zu empfinden. Gott, was war bloß mit diesem Mädchen los? Es hatte sich den Verstand verdrehen lassen. Es fiel Amy wie Scheuklappen von den Augen. Vampire konnten das Kurzzeitgedächtnis manipulieren. Die Arme wusste vermutlich nicht einmal, dass man sich hier auf vielerlei Arten an ihr vergriff. „Bist du eine Vampirin?“
Cecilia nickte und schob sie dann in eine halb sitzende Position. Ihre Finger glitten mit einem Öl eingerieben über Amys Schultern. Sie schaffte es nicht, sich das wohlige Stöhnen zu verkneifen und nach einigen herrlichen Sekunden wollte sie es auch gar nicht mehr. Amy hatte noch keine bessere Massage erlebt. Sie neigte den Kopf nach vorn, ihre Nasenspitze tauchte fast ins fruchtig duftende Wasser. Sie ließ sich bezirzen, aber was sollte es. Sie brauchte ein paar Minuten Erholung.
„Entspann dich, Amy. Lass locker. Ich bin keine Gefahr für dich.“
„Warum?“, nuschelte Amy, die Augen geschlossen.
Cecilias Hände fuhren ihr Rückgrat hinunter und herauf. Die Vorstellung, es wären Nyls Finger, sein Atem in ihrem Haar, beunruhigte sie ein wenig, doch nicht so sehr, dass sie Lust hatte, zu reagieren. Es wäre mit ihm wie mit all den Männern, die sie zu sich ins Bett gelassen hatte. Ein gutes bis schlechtes körperliches Vergnügen, bis sie es beendete.
Amys Verspannungen lösten sich eine nach der anderen und sie dachte schon, Cecilia würde nicht mehr auf ihre Frage nach dem Warum antworten.
„Das wird der ‚Silver Angel‘ dir erklären, wenn er es für richtig hält.“
Ab diesem Moment schwieg Cecilia, obwohl Amy ihr bestes gab, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Es war frustrierend, das Mädchen war immun gegen ihre Befragungstechniken, sie allerdings wurde zu butterweichem Wachs in Cecilias zierlichen Fingern. Nach einer Ganzkörpermassage, einem Peeling, einer Haarwäsche, Mani- und Pediküre, dem zarten Trocknen mithilfe eines Föns, der ihre Haare eher zu streicheln als zu bepusten schien und einem anschließenden Büffet in einem festlichen Saal, der einem König zu Ehren gereicht hätte, zog sich Cecilia mit einer Verbeugung zurück.
Amy sprang auf und stürzte hinter ihr her, doch die junge Schwarze war wie vom Erdboden verschluckt. „Mist!“ Nun wusste sie immer noch nicht, wo der Ausgang aus diesem unübersichtlichen Refugium war. Sie hatte das alles genossen, aber unterschwellig wusste sie doch, wie schrecklich falsch und absurd es war. Sie saß in einem Bordell fest, in einer Drogenhöhle, beim Dealerboss persönlich, der ihr sein Mädchen schickte, damit sie brav blieb.
Auf der Suche nach ihrer Handtasche und etwas mehr Kleidung, erkundete sie die hohen Räume. Wenn sie Fenster gefunden hätte, hätte sie vermutet, im Schloss Neuschwanstein in Bayern oder im Konzertzimmer von Schloss Sanssouci gelandet zu sein. Repräsentativ, protzig, fürstlich, aber unpersönlich. Was hatte sie erwartet?
Ihre Tasche für alle Fälle lag auf einem Nachttisch. Davor standen geputzt ihre Schuhe. Amy streckte sich auf dem Bett aus und schlug die weiche Decke um die Beine. Trotz der wundersamen Verheilung ihrer Wunden und der Massage fühlte sie sich erschlagen. Außerdem hatte sie zu viel gegessen. Sie zückte das Smartphone und wählte Cira an. Mit dem Handy am Ohr bemerkte sie noch, dass sie keine Verbindung erhielt und sank in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
~ ~
Wenn er geglaubt hatte, inzwischen alles über die Fürsten und den Rat der Wesen zu wissen, hatte er nun Gewissheit, sich arg getäuscht zu haben.
Als Jonas mental gerufen wurde und sich aus seinem Ich löste, das mit Fays Jungen Tischfußball im Fitnesskeller eines Hotels spielte, rechnete er mit einem weiteren Auftrag, etwas Gutes zu tun, um die Existenz der Homo animal vor den Menschen geheim zu halten. Weit gefehlt.
Er materialisierte sich nicht irgendwo in einer Gasse in Kalifornien, sondern blieb körperlos, schwebte als Geist in einer absoluten Finsternis – die ihm verflucht noch mal bekannt vorkam. Sein Nackenhaar sträubte sich. Er brauchte seinen Sehsinn nicht zu schärfen, wie er es damals versucht hatte, um dem Nichts einen Anhaltspunkt zu entlocken, als er zu seiner Verurteilung herbeizitiert worden war. Weder das Ende dieser Höhle oder des Weltalls noch
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