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Schicksal des Blutes

Schicksal des Blutes

Titel: Schicksal des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Madea
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ich mich auf den Zinnen nieder. Klar hatte ich wieder Gegenwind. Oh nein! Was machen die bloß, wenn man sie mal für einen Tag aus den Augen lässt? Die Mauer, auf der ich sitze, wackelt bedenklich, weil ein gelbes Monstrum dagegenkracht. Sie räumen Schutt weg. Ich fliege einmal um das Schloss herum, sehe jedoch in keinem der Zimmer jemanden. Kein Licht brennt, obwohl es bereits leicht dämmert. Wo sind die alle? Spielen die Verstecken mit mir?
    Ich flattere wild mit den Schwingen, aber meine grandiose Selbstbeherrschung und meine noch weitaus fulminantere Kombinationsgabe lassen mich grinsend erstarren, falls das bei Tauben überhaupt geht, als ich die offene Ladeluke eines Lkws erspähe. Männer tragen in regelmäßigen Abständen Gegenstände aus dem Schloss und auf die Ladefläche. Ich erkenne, was auf der Plane steht: Prompt & Co, Einlagerungen, sicher, schnell, preiswert. Als keiner guckt, fliege ich in den Transportraum, setze mich unauffällig in einen verborgenen Winkel und lasse meinen Blick schweifen. Als ich den zusa m mengerollten und nicht einmal verpackten Teppich in der Ecke lehnen sehe, hopse ich hinüber und versuche, mit dem Schnabel einen Faden zu ziehen. Gurr, gurr. Also soll heißen, heilige Friedenstaube. Es funktioniert nämlich nicht. Die Fäden sind so fein … Vor Aufregung hinterlasse ich ein Beweisstück. Es klatscht auf einen Hocker aus Holz. Während der Einlagerungszeit wird sich das wohl ins Material geätzt haben, aber ich kann schlecht einen Zettel mit meiner Telefonnummer dranpinnen.
    Mein sagenhaftes Gehirn zählt eins und eins zusammen. Als alle dachten, ich hätte Amys Körper längst verlassen, weil der Gedankenleser Ny’lane dies behauptete, lauschte ich interessanten Gesprächen. Unter anderem erfuhr ich von Timothys G e dankenteppich, der die Erinnerungen seines Vaters Zeemore für ihn bewahrt. Nur Gestaltwandler können so filigran aus Gedanken weben, sonst würde ich es zweifellos zustande bringen, aus diesem hässlichen, beigefarbenen Ding einen Faden zu ziehen. Nicht wahr? Siehste.
    Jonas besitzt also auch so ein unbezahlbares Andenken. Mein Druckmittel. Und wie bekommt eine Taube einen riesigen Teppich aus einem Laster? Na? Toll, könntest mir ruhig mal helfen. Jetzt habe ich die Taube auf dem Dach, ein Spatz in der Hand ist mir aber lieber, wenn du verstehst, was ich meine. Ich hocke mich bequemer auf den Rand der Auslegeware und verfalle ins Brüten. Was kann ich tun? Ich schenke den Kerlen keine Beachtung, und als es plötzlich stockdunkel wird, bereue ich es. Gurr, gurr, rufe ich, doch sie hören meine empörten Hilferufe nicht. Das Gerumpel geht los und ich kann mich nur durch ständiges Flattern auf dem Teppichrand halten. Na herrlich! Ich hüpfe auf ein Seil, das den Teppich an der Wand aufrecht hält. Wie eine irre Taube hacke ich auf dem Hanf herum. Warum? Na, die wollen mir meinen Gefangenen ste h len. Irgendetwas muss ich ja unternehmen.
    Ich pfeife bereits auf dem letzten Loch, als eine scharfe Kurve das Seil zerreißen lässt. Die riesige Teppichrolle kippt knapp an mir vorbei, ich spüre den Luftzug, dann scheppert und kracht es gewaltig. Einiges geht zu Bruch, aber mir ist nichts passiert, darauf kommt es letztlich an. Ich flattere um mein Leben, während die gesamte L a dung in Bewegung zu sein scheint. Oder ich bilde mir das aus Angst ein, schließlich kann mich hier alles zerquetschen. Die haben meine kleine Umräumaktion bemerkt. Der Lkw hält abrupt und ich stoße mir das Köpfchen an der Wand. Immer diese He k tik, das gibt’ ne saftige Beule. Ich höre die Männer fluchen. Himmel, beeilt euch mal, ich bekomm schon einen Krampf im rechten Flügel. Die Doppeltür öffnet sich und ich sause wie ein eleganter Falke an dem Typ vorbei ins Freie. Hatte ich zumindest vor, doch die dicke Taube klatscht ihm fast ins Gesicht. Ich streife ihn etwas unsanft, seine Zigarette fällt … ausgerechnet auf den Teppich.
    Gurr, gurr, schreie ich von der Laterne hinunter, löschen, löschen! Rauchen ist doch schädlich, vor allem für Teppiche! Der Geruch von verbrannter Haut erreicht mich auf meinem Ausguck. Vielleicht ist es auch nur Einbildung, weil ich weiß, wie viel mehr hinter diesem ausgetretenen Stück Stoff steckt, das gerade ein fettes Brandloch erhalten hat. Und … oh weh … ein paar längliche Schietflecken. Wie peinlich.
    Die Männer beschimpfen sich gegenseitig, bis der Ältere die Teppichrolle packt und von der Laderampe zerrt. Sinngemäß

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