Schicksal des Blutes
angeboten zu bekommen, sie zu tragen oder er mit sonst irgendeiner wirren Vampirlogik aufwartete, auf die sie wieder blitzschnell reagieren musste. Doch er starrte nur verschlossen auf sie herab. Leicht mürrisch, als hätte er sie am liebsten doch auf Höhe des Flugplatzes aus dem Hubschrauber geworfen. Sie musterte ihn unverhohlen. Ohne seine harte Erektion am Hintern zu spüren, gelang es ihr endlich, ein wenig Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. Ny’lane mochte sie, begehrte ihren Körper, aber er wollte nichts mit ihr zu tun haben, weil sie ihm bei seinen Geschäften und seinem freizügigen Leben im Weg war. Zudem war sie eine Weiße und kam somit nicht einmal als Nahrungsquelle infrage. Er hätte sie wahrscheinlich am Flughafen abgesetzt, wenn er Cira nicht sein Wort gegeben hätte, auf sie aufzupassen. Er durfte nicht am Lungi Airport auftauchen, weil Drogenbeauftragte, die Armee oder die Konkurrenz sofort versuchen würden, ihn zu verhaften oder umzubringen. Floh er, würden die Kerle sie benutzen, ihn zu erpressen. Wie Bliss es getan hatte. Kein Wunder, dass Nyl danach strebte, sie loszuwerden. Die Frage war, weshalb er dann so dicht bei ihr stand. „Willst du mich noch mal küssen?“
Nyl bewegte sich keinen Deut und doch war sie aufgrund des leichten Schimmers hinter der Sonnenbrille sicher, ihn mit der Frage überrascht zu haben. Sie überraschte sich ja gerade selbst. Wahrscheinlich plante ihr loses Mundwerk, ihn von ihren Gedanken abzulenken, die er vielleicht auf ihrem Gesicht lesen konnte, und lenkte die Aufmerksamkeit auf … sich. Innerlich verdrehte sie die Augen. Super Idee! Weiter! Solange er stillhielt. „Warum wolltest du unbedingt hierher, Nyl?“, fragte sie leise und sah auf ihre nackten Knie, die verdreckten Turnschuhe.
„Da entlang.“ Er wies in Richtung eines schmalen Trampelpfades durch das Grün. Als sie nicht sofort reagierte, drehte er sie an der Schulter und schob sie voran.
„Du möchtest immer noch nicht antworten?“
„Doch“, brummte er in ihrem Rücken, „aber du wirst es gegen mich verwenden.“
Amy runzelte die Stirn. Wahrscheinlich hatte er recht. Sie war jedoch zu neugierig, um es nicht weiter zu versuchen. „Ich dachte, dir ist egal, was ich über dich denke.“
„Ist es.“
„Also? Ihr trefft euch geschäftlich.“
Er gab keine Antwort.
Amy rang mit sich. „Ich werde in diesem Fall eine Ausnahme machen, deine Mom nicht journalistisch ausquetschen und deine Aussage neutral betrachten. Okay?“
Sie hörte es im Unterholz rascheln, aber sie drehte sich nicht um, wollte ihm Bedenkzeit geben, obwohl es sie intensiv danach verlangte, zu erfahren, was er in ihrem Rücken tat. Aufmerksam folgte sie dem Pfad, der wie eine Schneise in einen üppigen Urwald gehauen worden war. Sonnenstrahlen berührten nur an wenigen Stellen die rötliche Muttererde und das satte Grün ausladender Blätter. Ein Paradies.
Nyl brummte leise: „Meine Mom hat heute Geburtstag.“
„Oh!“ Beinahe hätte sie aufgelacht. Vor Erleichterung? Weil es so etwas Normales war? Was störte sie nur? Sie lächelte, um ihrer Stimme die richtige Tonlage zu verpassen. „Das ist doch schön. Ich meine, ich hätte nicht damit gerechnet, es überrascht mich, dennoch ist es toll. Ich hätte gern ein besseres Verhältnis zu meiner Mutter.“ Er wusste eh von Grace und sicher auch von ihrer gestörten oder eher nicht vorhandenen Beziehung. Wie viel ihm wohl von ihrem Alten, von Brandon, bekannt war? Sie hoffte, äußerst wenig.
„Gutes Verhältnis wäre übertrieben.“
Es raschelte erneut, als Amy auf eine sonnenbeschienene Kreuzung im Wald trat und wartete, bis er neben ihr stand. Er hielt einen wunderschönen, bunten Wildblumenstrauß in den Händen und zupfte zu schnell für ihre Wahrnehmung einige Blätter ab. Nun lächelte sie wirklich. Der war natürlich nicht für sie, logo. Aber trotzdem. Wenn sie die Wahl zwischen einem Porsche oder diesem Strauß zum Geburtstag hätte, würde es ihr nicht schwerfallen, sich zu entscheiden. Gegen ihren Mini patzte eh jede Prollkiste.
„Da weiter.“
Der Sandpfad verbreiterte sich, wuchs zu einem Weg aus weißen Steinchen, um in einen gewölbten Brettersteg zu münden, der über ein Flüsschen führte. Hatte sie eben noch vermutet, sich bereits im Paradies zu befinden, so schluckte sie nun aufgrund der paradiesischen Farbenpracht und Artenvielfalt, die sie in diesem Garten Eden erblickte. Vögel sangen, das Wasser plätscherte und exotische
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