Schicksal des Blutes
Sein Körper war übersät mit blutigen Striemen, sein Gesichtsausdruck war hart und dennoch sprach unendliches Leid aus ihm, doch nicht wegen der Schläge. Er packte mich …“ Jonas’ blutrünstiges Grollen erfüllte die Beaver, „… er bannte mich mit seinen schwarzen Augen und drückte mir die Halsschlagader zu. Ich dachte, er wollte brutal von mir trinken. Aber es war mehr als das.“
„Hat er dir was getan?“, presste Jonas zwischen den langen Fängen hervor.
„Nein. Er machte mir Angst, bereute seine Aggressivität sogleich, glaube ich und er sagte, er würde sich das antun, um zu vergessen. Ich sorge mich um ihn.“ Cira spürte, wie Jonas seinen unbändigen Zorn gewaltsam unter einer dicken Decke erstickte.
„Ich werde sobald wie möglich mit ihm reden.“
Cira nickte und lenkte das Flugzeug durch die stürmischen Aufwinde tiefer hinab. Die vereinzelten Schneeflocken erwuchsen zu einem dichten, wirbelnden Schneeschauer. Sie hatten die Bergspitze fast erreicht. „Reden, ja?“
Jonas kurzer Seitenblick verriet, er wollte es ihr nicht versprechen. Dafür knurrte er: „Ich spüre, hier sind wir richtig.“
„Toll“, erwiderte Cira, die kaum noch etwas durch die Verwehungen erkennen konnte und nicht wusste, auf was sich ihre Antwort bezog. „Dann mal festhalten.“ Ein weißer Fleck gab ihre beschränkte Landemöglichkeit preis. „Skier raus“, brummte sie und zog die Maschine steil runter. Mit einem harten Aufprall setzten sie auf und glitten pfeilschnell auf den Kufen dahin. Cira bremste mit allem, was die Beaver hergab. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Spitzen der Skier knapp vor einem plötzlich aus der Schneewand auftauchenden Abhang stehen blieben. Im Nu sammelten sich Schneeflocken auf den Scheiben. Eisiger Wind heulte über den Bergkamm und Kälte kroch in die Kabine. Der Motor knatterte im Leerlauf, bis Cira ihn abstellte.
Jonas löste die verkrampften Finger vom Haltegriff und sah aufatmend zu ihr herüber. „Wow, du bist …“
Plötzlich riss ein grau-schwarzer Schatten blitzartig die Tür auf, umgriff Jonas’ Oberkörper und zerrte ihn rücklings aus dem Flugzeug. Cira empfand Jonas’ Schreck und seinen Schmerz, bevor sie bemerkte, wie auch ihre Tür sich ruckartig öffnete. Sie wirbelte instinktiv herum und schlug auf das Empfindsamste des Angreifers, das sie witterte. Die Nase des Fellwesens donnerte gegen einen Seitenbügel. Ciras Fuß traf seine Brust, ehe monströse Klauen sie packten und aus der Beaver schleuderten. Sie fiel mit dem Kopf voran in tiefen Schnee, rollte sich nach vorn ab und wollte auf die Beine springen, doch der Boden gab nach. Eine Pranke griff blitzschnell nach ihrem Unterarm, Massen von Schnee rutschten unter ihr weg. Sie hing über dem Abgrund. Ciras Finger umfassten das kräftige Handgelenk. Sie blinzelte gegen den Schneefall an. Ein Werwolf mit schneevereistem, rotbraunem Fell ragte unheilvoll über ihr auf. Sein Atem drang durch das Raubtiergebiss, kondensierte in der eisigen Luft und trug das unterschwellige Grollen zu ihr herunter. Neongelbe Iris schienen sie wie Laser zu beleuchten und zu durchbohren. Cira bot all ihre Kräfte auf und zwang ihre Reißzähne zurück in den Oberkiefer, obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte. „Wir ersuchen den weisen Fürsten um einen Rat.“
Der Werwolf kniff die fellbedeckten Lider über den Augen zusammen, dann schüttelte er heftig sein langes Fell. Cira glaubte, er wollte sie fallen lassen. Doch sein Griff war fest und unnachgiebig, sie für ihn keine Last. Seine hellen Iris musterten sie. Er haderte mit sich. „So denn“, drang seine raue Stimme durch den Sturm zu ihr und sie wurde mit einem harten Ruck emporgezogen, „folge mir.“
Erst als Cira auf ihren Füßen stand, spürte sie Jonas’ Angst um sie und vernahm die zähen Kampfgeräusche. Der Schneesturm wirbelte zu dicht, um mehr als die ausgestreckte Hand vor Augen zu erkennen. Sie folgte nach vorn gebeugt dem rotbraunen Fellriesen, bis er stehen blieb.
Jonas und ein grau-schwarzer Werwolf kämpften verbittert. Wie zwei Blitze sausten sie durch die Schneeverwehungen.
„Typisch Männer“, brummte Cira und sah, wie das große Geschöpf neben ihr breit grinste. Das gab ihr weiteren Mut. „Hört auf. Es reicht. Wir sind keine Gegner.“
Jonas raste herbei und baute sich schwer atmend wie ein Berg vor Cira auf. Sie fühlte sich geschmeichelt, verdrehte dennoch die Augen, schob sich an seinem Körper vorbei und trat auf den
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