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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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glücklich wie er selbst?
    »Yvonne!« sagte er leise.
    Der Druck seiner Hände verstärkte sich. Ganz langsam zog er sie an sich. Tau glitzerte an ihrem Haar, an den seidigen Wimpern hingen Tränen. Ihre Augen sagten ihm mehr als tausend Worte. Da konnte er nicht anders. Stürmisch riß er Yvonne in seine Arme und küßte sie, immer und immer wieder, mit verzehrender Leidenschaft …
    »Hallo, ein Taxi, bitte. Für Zimmer 43 – ja, Bergmann. Ich komme hinunter. Danke! – Hören Sie noch? Sagen Sie meinem Chauffeur Bescheid, daß ich ihn am Vormittag nicht brauche.«
    Der Professor legte den Hörer auf und ging zum Fenster. Das Laub färbte sich schon gelb und rot. Wieder war ein Jahr vorbei. Das erste Jahr mit Yvonne. Ob es auch das letzte bleiben sollte?
    Sein Lebenswille war wieder erwacht. Er hatte ja soviel nachzuholen … mit Yvonne! Und dafür mußte er wieder gesund werden. Für sie, seine geliebte Frau. Er würde die Klinikleitung in jüngere Hände legen, sich nur noch wissenschaftlicher Forschung widmen und Reisen machen in ferne Länder … mit Yvonne!
    Schließlich war er doch noch kein alter Mann.
    Er ging zum Spiegel und betrachtete sich kritisch. Gewiß, die Zeichen der Krankheit waren nicht zu übersehen, seine Haut wirkte schlaff, und um die Mundwinkel hatten sich tiefe Runen gegraben – aber was sagte das schon? Wenn er erst geheilt war, einmal richtig ausgespannt hatte, etwas südliche Sonne genossen …
    Wenn, ja wenn!
    Wenig später verließ er das Münchner Hotel in der Nähe des Englischen Gartens und ging auf das wartende Taxi zu. Mit leisem Stöhnen ließ er sich in die Polster fallen. Der Fahrer knallte den Schlag zu, ging um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer.
    »Franz-Joseph-Straße!«
    »Jawohl, Herr Professor!«
    Erstaunlich horchte Bergmann auf. Er beugte sich etwas vor.
    »Woher kennen Sie mich?«
    Der Chauffeur wandte sich um. Er lachte übers ganze Gesicht.
    »Sie haben mich vor fünf Jahren operiert, Herr Professor. Am Magen. Steinfurth ist mein Name, Fritz Steinfurth. Als ich entlassen wurde, sagten Sie damals noch, Sie hätten keinen Pfifferling mehr für mein Leben gegeben.«
    »Natürlich, Steinfurth! Jetzt entsinne ich mich.« Bergmann ließ sich zurücksinken. »Ja, das war eine komplizierte Sache. Vor der Operation glaubte ich zunächst, es sei ein schwer vernarbtes Magengeschwür, und nachher war es …«
    »Magenkrebs, Herr Professor. Ich weiß es genau. Ich habe es ja selbst in der Krankengeschichte gelesen. Der Stationsarzt hatte sie mal aus Versehen liegenlassen. Steno … stenosierendes Magenkarzinom stand drin. Die Ärzte sagen einem ja doch nie die Wahrheit, und so habe ich eben selbst …«
    »Verstehe!«
    Der Chauffeur Steinfurth startete den Motor. Warum hatte der Professor eben so finster dreingeschaut? Vielleicht hätte er das nicht sagen sollen, überlegte er angestrengt.
    Er manövrierte den Wagen geschickt durch den Großstadtverkehr. Beim Einbiegen in die Leopoldstraße zeigte die Ampel Rot. Gezwungenermaßen hielt er an.
    »Sie lagen im großen Saal, zweites Bett links vom Eingang, und unterhielten immer die ganze Korona. Stimmt's?«
    Steinfurth drehte sich um. »Donnerwetter, Herr Professor, haben Sie aber ein gutes Gedächtnis!« sagte er anerkennend.
    »Es gibt eben Fälle, die behält man … ein ganzes Leben lang. Wir hatten damals große Angst um Sie. Woher kannten Sie eigentlich den medizinischen Fachausdruck?«
    »Das weiß doch heute jeder Laie, Herr Professor, was ein Karzinom ist. Dafür sorgen schon die Illustrierten.«
    Endlich kam Grün. Steinfurth fuhr wieder an, überquerte die Leopoldstraße und bog dann in die Franz-Joseph-Straße ein.
    »Welche Nummer, bitte?«
    Professor Bergmann überlegte. »Lassen Sie mich an der nächsten Ecke heraus. Etwas frische Luft wird mir sicherlich guttun.«
    »In Ordnung, Herr Professor!« Er fuhr noch ein Stück vor und ließ den Wagen dann langsam ausrollen.
    »Was bin ich Ihnen schuldig?«
    »Nichts, Herr Professor!«
    Steinfurth war bereits ausgestiegen. Er lief um den Wagen herum und öffnete für Professor Bergmann die Tür. Umständlich stieg der alte Herr aus. Er machte ein paar unsichere Schritte und zog das linke Bein nach.
    »Also, Steinfurth, was macht's?«
    »Nichts, Herr Professor! Gestatten Sie, mein Jubiläumsgeschenk sozusagen … an meinen Lebensretter. Es heißt doch, daß man keine Angst mehr zu haben braucht, wenn fünf Jahre nach einer Krebsoperation vergangen

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