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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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Zauber dieser geheimnisvollen Nacht.
    »Erlkönigs Töchter … dort vollführen sie ihren Reigen … Sieh nur, jetzt kommt der Reiter, das sterbende Kind auf dem Arm … sie tanzen näher …« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab.
    »Yvonne«, mahnte er leise.
    »Verzeih, Thomas. Ich … ich glaube, ich habe zuviel Phantasie und … eine zu große Sehnsucht.«
    »Sehnsucht?«
    »Ja, nach dem Leben – dem wirklichen glutvollen Leben.«
    »Yvonne!«
    Er zog die Ruder ein und versuchte, sich zu ihr zu setzen. Aber das kleine Boot schaukelte gefährlich. Es vollführte einen Tanz auf den Wellen und drohte umzukippen. Da gab er es schließlich auf und ließ sich vorsichtig, mit einem unterdrückten Seufzer, wieder auf seiner Holzbank nieder.
    »Eine Sternschnuppe! Thomas, schnell, wir dürfen uns etwas wünschen!«
    Sein Blick folgte Yvonnes ausgestrecktem Arm. Er sah gerade noch, wie der leuchtende Himmelskörper verglühte.
    »Was hast du dir gewünscht?« Bruckner beugte sich etwas vor und ergriff ihre Hand. »Bitte, sag es mir.«
    Stille.
    »Hat sich dieser Wunsch auf uns beide bezogen, auf unsere Zukunft?« fragte er fordernd und verstärkte unwillkürlich den Druck seiner Finger.
    Schweigend starrte Yvonne in die Nacht.
    »Du … denkst an … an einen anderen?«
    »Ja.«
    Er fühlte einen schmerzhaften Stich. Brüsk ließ er ihre Hände los, setzte sich zurück und ruderte weiter. Alles erschien ihm mit einem Mal öde und leer – sinnlos. Die verwunschene Nacht hatte ihren Zauber eingebüßt.
    Es war ein böses Erwachen …
    Langsam kam das gegenüberliegende Ufer näher. Bruckner schwenkte ab, machte einen Bogen und ließ das Boot dann dicht am Ufer entlanggleiten. Er hatte es so gedreht, daß es direkt in das flüssige Silber des Mondes fuhr.
    »Es ist ein alter Mann, an den ich gedacht habe«, sagte Yvonne plötzlich. »Ich habe mir gewünscht, daß er gesund bleiben möge, daß er … zufrieden ist, und … heil von seiner Reise zurückkomme.«
    »Schwöre mir, daß es ein alter Mann ist!«
    »Ich schwöre es!«
    »Und ich, Yvonne? Du weißt genau, was ich für dich empfinde, daß ich dich über alles …«
    »Thomas!« Sie beugte sich zu ihm hinüber und fuhr ihm liebkosend übers Haar. »Ich glaube, daß ich diesen alten Mann sehr liebe, weil … weil er mich braucht. Ich möchte nicht, daß er je unglücklich wird. Nein! Das könnte ich nicht ertragen.«
    »Ja, aber …«
    »Du darfst nie eifersüchtig sein, hörst du?«
    »Yvonne!« stieß Thomas hervor. »Wie kannst du von mir verlangen, daß ich auf dich verzichte, daß ich nur neben dir leben soll wie ein … ein guter Freund? Bist du denn nicht aus Fleisch und Blut? Liebst du mich denn nicht auch?«
    Krampfhaft hielt er ihre Schultern fest.
    »Antworte mir, Yvonne! Ich habe ein Recht darauf!«
    Erschöpft ließ sie den Kopf sinken. Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Thomas, ach, Thomas!« Mit einem Stöhnen sank ihr Körper vornüber. Sie schlug die Hände vors Gesicht und lehnte sich an seine Knie. Ein Zittern überlief sie.
    Da schrie ein Käuzchen dreimal.
    »N … ein!« stammelte Yvonne und hielt sich entsetzt die Ohren zu. »Nein! Das darf nicht sein! Der Totenvogel. Er bringt Unheil!«
    »Rege dich nicht auf, Liebes. Ich bin doch bei dir.« Thomas sprach in besänftigendem Ton wie zu einem Kind. Zärtlich streichelte er ihr blauschwarzes Haar. »Das ist ein dummer alter Aberglaube, Yvonne. Dieser kleine harmlose Nachtvogel …«
    Wieder schrie das Käuzchen.
    »Ich will nach Hause, Thomas, bitte schnell! Ich habe Angst – schreckliche Angst!«
    »Wie lange noch, Johann?«
    »Etwa zwanzig Minuten, Herr Professor. Wir haben es bald geschafft.«
    »Das ist gut!« Bergmann lehnte sich wieder zurück. »War doch ziemlich strapaziös für mich, dieses München. Am liebsten möchte ich jetzt tagelang schlafen.«
    »Ich fühle mich auch nicht besonders«, sagte Johann, um seinen Chef abzulenken. »Sicher wieder der starke Föhn im Süden!«
    »Ja, ja, der Föhn!«
    In der Ferne wurde der hellerleuchtete Verteilerkreis sichtbar. Johann trat den Gashebel ganz durch. Der schwere Wagen schoß rascher vorwärts. Die Tachonadel zitterte um 180.
    Bald hatten sie die Stadt erreicht. Die Straßen wirkten wie ausgestorben. Es dämmerte.
    Ohne die ausgedehnte Rast wären wir längst zu Hause, dachte Robert Bergmann. Hoffentlich machte sich Yvonne keine Sorgen. Aber er hatte die Fahrt einfach unterbrechen und sich ein paar Stunden

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