Schicksal in seiner Hand
hinausfahren und Fische fangen«, sagte er schwärmerisch. »Zu dumm, daß mir dieser Gedanke nicht viel früher gekommen ist!«
»Bei mir beißt keiner an.«
»Was?«
»Ich kann nicht angeln«, erläuterte Yvonne lachend.
»Ist auch nicht nötig. Wenn du sehr lieb bist, gebe ich dir vielleicht etwas ab von meinem Fang«, versicherte Robert gönnerhaft. »Du wartest dann – sehnsüchtig, versteht sich! – am Strand auf mich, machst ein Holzkohlenfeuer und grillst uns die Fische. Wir können natürlich auch welche kaufen, wenn ich … zufällig … einmal nichts erwischt haben sollte. Es gibt doch sicher Fischer in Samarkand?«
»Wir fahren nicht nach Samarkand. Cabasson heißt der Ort.«
Er verfärbte sich. Sein Atem ging schwer. Mit angstgeweiteten Augen starrte er zur Decke.
»Sagte ich – Samarkand?«
»Ja, Robert. Was ist dir?« Sie hatte sich über ihn gebeugt. Mit einer unendlich zärtlichen Bewegung strich sie ihm das Haar aus der Stirn. »Wir können auch dorthin fahren, wenn du es gern möchtest. Mir ist es egal. Hauptsache, du bist glücklich!«
»Nach Samarkand muß ich allein fahren.« Sein Stimme sank zu einem Flüstern herab. Yvonne verstand nicht, warum er plötzlich Tränen in den Augen hatte. »Aber nach Cabasson fahren wir zusammen, Liebste … morgen schon.«
»Ja, Robert. Ich freue mich so sehr darauf.«
Ilse Kurz stürzte atemlos ins Zimmer.
Verzweifelt stand Albert Kleiber am Bett seiner todkranken Frau. Die Kinder weinten.
Schwester Angelika hatte der Kranken gerade eine Spritze gegeben.
»Cardiazol«, erklärte sie der Ärztin.
Dr. Kurz fühlte den Puls. Er war kaum tastbar. Sie legte das Stethoskop auf die Brust der Patientin und lauschte lange.
»Holen Sie noch eine Blutkonserve!«
»Hab' ich mir schon gedacht, Fräulein Doktor!« Schwester Angelika zeigte auf eine mit Blut gefüllte Flasche. »Ich habe alles vorbereitet.«
»Bitte, gehen Sie hinaus!« sagte sie leise zu Albert Kleiber.
»Und wenn sie stirbt?«
»Sie wird jetzt nicht sterben, aber wir können Sie jetzt nicht dabeihaben. Das regt Sie und die Kinder zu sehr auf.«
Mit sanfter Gewalt schob sie die drei aus dem Krankenzimmer.
»Es ist alles fertig«, verkündete Schwester Angelika dann.
Dr. Kurz nahm eine dicke Kanüle aus der Hand der Schwester entgegen. Sie stieß sie in die Vene ein. Ein Blutstrahl ergoß sich auf den Boden. Aber da hatte sie schon den Schlauch, der zur Konserve führte, angeschlossen. Die Schwester regulierte die Tropfenfolge.
»Ich danke Ihnen, Fräulein Doktor. Ich habe auch Dr. Rademacher benachrichtigt, weil wir Sie nicht gleich finden konnten.«
In diesem Augenblick steckte der Narkosearzt seinen blonden Haarschopf durch die Tür.
»Es ist schon alles erledigt. Wir brauchen Sie nicht mehr«, rief ihm Schwester Angelika entgegen.
Erstaunt blickte Dr. Rademacher seine Kollegin an. Wie sah sie denn auf einmal aus?
»Ist was?« fragte Dr. Kurz.
»N … ein, nichts!«
Er zog sich hastig zurück und wartete im Flur, bis die Ärztin das Krankenzimmer verlassen hatte. Schnell trat er auf sie zu.
»Sie sehen ja heute so … so anders aus«, sagte er unvermittelt.
Ilse Kurz errötete. »Ich habe …« Sie holte ein Taschentuch hervor und wollte sich den Lippenstift abwischen.
Aber Aribert Rademacher hielt ihre Hand fest. »Bitte, tun Sie es nicht. Es steht Ihnen ausgezeichnet.«
»Albern«, wehrte sie ab.
Da ergriff er einfach ihre Hand und zog die leicht Widerstrebende mit sich in ein Badezimmer vor den Spiegel.
»Da – schauen Sie mal selbst!«
Langsam hob sie den Blick und – starrte dann fasziniert ihr Spiegelbild an. Sie konnte die Wandlung nicht begreifen, die mit ihr vorgegangen war. Immer wieder staunte sie verwundert …
Dr. Rademacher blieb eine Weile an der Tür stehen. Mit befriedigtem Grinsen genoß er die Szene. Dann schlich er leise hinaus und ließ Ilse Kurz mit ihrem Spiegelbild allein.
Dr. Bruckner überprüfte die Eintragungen. Sie waren höchst mangelhaft. Die gestrigen Fälle fehlten völlig. Er versuchte, die Kartei aus dem Gedächtnis heraus zu ergänzen.
Da flog plötzlich die Tür auf. Oberarzt Dr. Wagner stürzte herein, blieb sekundenlang vor dem Schreibtisch stehen und zog sich dann – als Dr. Bruckner keine Anstalten machte, sich zu erheben – verärgert einen Stuhl heran.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, Herr Kollege«, begann er mit finsterer Miene, »daß ohne meine Erlaubnis hier keinerlei Neuerungen eingeführt werden
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