Schicksal in seiner Hand
neben ihrem Mann. Es war ein jähes, furchtbares Erwachen. Sie bettete Roberts Kopf in ihren Schoß und versuchte, im Schein der vorbeihuschenden Straßenlaternen sein Gesicht zu erkennen. Atmete er überhaupt noch? Yvonne beugte sich über ihren Mann und lauschte angespannt.
»Er ist tot, Johann!« schrie sie plötzlich auf. »So hören Sie doch! Er ist tot!«
»Nein, gnädige Frau, beruhigen Sie sich«, sagte der Chauffeur über die Schulter. »Der Herr Professor ist nur ohnmächtig.«
In rasender Fahrt jagte Kowalski zur Klinik. Vor dem großen Tor mußte er warten. Die Schranke für Kraftfahrzeuge war geschlossen. Er hupte wie wahnsinnig.
Mit mürrischem Gesicht kam der Pförtner schließlich aus seiner Loge. Als er jedoch den Wagen des Chefs erkannte, öffnete er schnell – eine Verbeugung andeutend – die Barriere. Kopfschüttelnd schaute er hinter dem Auto her, das in einer halsbrecherischen Kurve um die Ecke bog und sich dabei beängstigend auf die Seite legte.
Die Bremsen blockierten die Räder, die noch ein Stück über den Boden rutschten, bis der Wagen endlich stehenblieb. Johann sprang heraus. Er brauchte nicht zu klingeln. Das Hupen vor der Einfahrt und das Kreischen der Bremsen hatten die Nachtschwester bereits alarmiert.
»Langsam, langsam«, beschwichtigte sie. »Weshalb denn diesen fürchterlichen Krach? Sie wecken mir ja alle Kranken auf, Herr Kowalski.«
»Schwester Angelika«, keuchte Johann, »schnell eine Trage und dann den Oberarzt benachrichtigen! Dem Chef … geht es verdammt schlecht.«
»Was sagen Sie da?« Sie blickte ungläubig durchs Wagenfenster und – verstand. »Ich … ich habe gedacht, der Herr Professor wäre längst abgereist, und nun … Die Trage steht da hinten.« Sie zeigte auf das Ende des Ganges. »Holen Sie sie rasch. Ich werde inzwischen nach den Diensthabenden telefonieren.«
»Wir bringen den Chef am besten erst in die Ambulanz«, sagte Johann und stürzte, ohne eine Antwort abzuwarten, bereits den Korridor entlang.
»Mitternacht!« Dr. Bruckner saß mit seinem Kollegen Rademacher im Dienstzimmer der Poliklinik. »Bisher war es ja verhältnismäßig ruhig. Hoffentlich bekommen wir nicht plötzlich noch einen schweren Fall herein.«
»Kaum anzunehmen«, erwiderte Aribert Rademacher und gähnte herzhaft. Schlaftrunken steckte er sich eine neue Zigarette an.
»Sagen Sie das nicht!« Thomas Bruckner legte seine Shagpfeife beiseite. Sie war frühzeitig ausgegangen, und er hatte keine Lust, den angerauchten Tabak neu zu entzünden. »Irgend etwas passiert immer in so einer Nacht. Und wenn es nur ein paar Besoffene sind, die Händel gesucht haben.«
»Die Dame Kurz hat mit uns Dienst. Das ist prima.« Der Narkosearzt konnte die Augen kaum mehr offenhalten. »Die … die versorgt die meisten Fälle allein und weckt niemanden von den Koll … Kollegen auf.«
»Ja, Ilse Kurz ist eine fabelhafte Frau«, pflichtete Bruckner ehrlich überzeugt bei.
»Das will ich meinen!« Dr. Rademacher war mit einem Mal wieder hellwach. »Ein … ein Pfundskerl ist das! Möchte nur wissen, weshalb sie plötzlich so verändert aussieht, so … so …«
»… gepflegt und adrett.«
»Genau!«
Dr. Bruckner lächelte stillvergnügt vor sich hin. Auch ihm war es aufgefallen, daß Ilse Kurz sich jetzt von selbst dezent schminkte, seidene Strümpfe trug, sich geschmackvoll kleidete und überhaupt viel freier und ungezwungener wirkte.
»Hoffentlich haben Sie kein Auge auf sie geworfen. Das würde mir ausgesprochen leid tun, Kollege Bruckner. Ich lasse mir nämlich ungern ins Gehege kommen, verstanden?«
»Ach so ist das!« Thomas Bruckner nickte verständnisvoll.
Das Telefon schrillte.
»Hier Poliklinik, Rademacher.« Er wandte sich achselzuckend an seinen Kollegen: »Na bitte, geht schon los! Was? … Verstanden! Wir kommen sofort.« Er sprang auf.
»Presto, presto, mein Lieber. Der totale Magen vom Chef!« Rademacher hielt die Türklinke bereits in der Hand. »Der Nachtpfleger hat angerufen. Kleiber war bei seiner Frau. Er soll plötzlich aus dem Zimmer gestürzt sein und unverständliches Zeug gemurmelt haben.« Atemlos kamen die beiden auf der Wachstation an. Dr. Bruckner riß die Tür zum Krankenzimmer auf und – wäre um ein Haar mit Albert Kleiber zusammengeprallt.
»Sie lebt, sie lebt!« jubelte der und fiel dem Arzt spontan um den Hals. »Sie ist über den Berg! Eben hat sie zum ersten Mal mit mir gesprochen.«
Und wie zur Bestätigung hob die Kranke
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