Schicksal in zarter Hand
müssen.“
„Wir können alles von unseren Anwälten regeln lassen“, hielt sie dagegen und ging weiter.
„Nein, du wirst dieses besondere Gespräch mit mir von Angesicht zu Angesicht führen, meine Liebe, weil ich nämlich keine Scheidung will!“
Sie wandte sich ihm nochmals zu. „Wir haben seit dreieinhalb Jahren kein Wort miteinander gewechselt und uns nie gesehen. Bis heute. Wieso solltest du keine Scheidung wollen? Ich jedenfalls möchte sie.“
Nun drehte sie sich wieder um und fasste schon nach der Türklinke, als sie hinter sich ein besorgniserregendes Geräusch hörte. Alarmiert blickte sie über die Schulter zurück. Franco hatte sich aufgesetzt und versuchte, die Infusionsschläuche aus dem Handrücken zu ziehen. Seine Koordinationsfähigkeit war allerdings beeinträchtigt, wahrscheinlich durch die vielen Schmerzmittel, deshalb gelang es ihm nicht.
„Was führst du da auf?“, rief Lexi entsetzt und eilte zu ihm zurück. Die Apparate begannen schrill zu piepsen und wie verrückt zu blinken. Bevor sie seine Hände festhalten konnte, überlegte er sich etwas anderes und schob die Bettdecke von den Beinen. Das Gestell fiel krachend zu Boden, bevor sie es packen konnte.
Sie stöhnte laut auf, als sie nun sah, was die Decke bisher verborgen hatte: Das eine Bein war am Oberschenkel dick verbunden, und die Blutergüsse erstreckten sich über Francos gesamt linke Seite.
„O du lieber Himmel“, rief sie und versuchte, Franco sanft aufs Bett zurückzudrücken, oder ihn jedenfalls irgendwie zu hindern aufzustehen.
Die Apparate schellten nun noch wilder, es war ein Höllenlärm.
Ohne zu überlegen, umfasste Lexi Francos Gesicht zart mit den Händen und zwang ihn, sie anzusehen.
„Bitte hör auf“, flehte sie ihn an. Und da er zugleich widerspenstig und völlig am Boden zerstört wirkte, presste sie ihm die Lippen auf den Mund.
Sie wusste nicht, warum sie es tat, aber sie hörte nicht auf. Auch nicht, als Franco sich nicht länger wehrte, sondern plötzlich ganz stillhielt. Die Welt um sie herum schien aufzuhören zu existieren, denn sie hörte nicht einmal auf, als die Krankenschwester hereineilte und das blendend helle Licht einschaltete.
Dieser Kuss wirbelte alte, fast vergessen geglaubte Emotionen auf, und sie hatte das Gefühl, dass der Eispanzer, der ihr Herz umgab, weicher wurde wie die Schneedecke beim ersten milden Frühlingswind.
Als sie sich schließlich von Franco löste, atmete sie schwer. Und auch er holte angestrengt Luft. Sie blickte ihm in die Augen, die nun fast schwarz wirkten.
„Ich bleibe“, versprach sie mit zitternder Stimme. „Ich tue alles, was du willst, wenn du versprichst, dich wieder hinzulegen und Ruhe zu geben. Bitte, Franco!“
3. KAPITEL
Lexi saß mit einer Tasse dampfend heißem Kaffee im Vorzimmer. Ein Mann, der sich als Dr. Cavelli vorgestellt hatte, beugte sich besorgt über sie und wartete offensichtlich darauf, dass sie nicht mehr am ganzen Körper zitterte.
Sie hatte eindeutig einen Schock erlitten. Zum einen, weil sie nicht verstand, warum sie Franco so selbstvergessen geküsst hatte. Zum anderen, weil sein unbeherrschtes Verhalten sie zutiefst erschreckt hatte.
„Sie müssen Folgendes verstehen, Signora Tolle“, begann Dr. Cavelli schließlich behutsam. „Ihr Mann braucht nicht deswegen Überwachung rund um die Uhr, weil sein körperlicher Zustand so alarmierend wäre. Vielmehr ist es seine seelische Verfassung, die uns Sorgen macht.“
„Seine seelische Verfassung?“, wiederholte Lexi verwundert.
„Ja. Alles in allem ist Ihr Mann außergewöhnlich kräftig und grundsätzlich fit, wie er gerade eben bewiesen hat.“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Er hat zahlreiche Verletzungen bei dem Unfall erlitten, aber die sind bereits im Begriff zu heilen. Schlimmer ist der Verlust seines besten Freundes unter den schrecklichen Umständen. Das hat ihn schockiert und belastet ihn anscheinend sehr.“
„Ja, Franco und Marco waren wie Brüder. Wie Zwillinge sogar. Sicher trauert er um ihn.“
„Die Art, wie er mit diesem Verlust umgeht, bereitet uns Kopfzerbrechen. Sobald Marco Clemente erwähnt wird, ignoriert Ihr Mann das Thema einfach – wie Sie ja selber mitbekommen haben –, oder er regt sich übermäßig auf.“
„Natürlich tut er das“, verteidigte sie Franco hitzig. „Was soll er denn sonst machen? Einen Weinkrampf bekommen? Er ist doch ein Mann!“
„Sehen Sie, darauf will ich hinaus. Als Mann reagiert er anders,
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