Schicksal!
Fertiggerichte.
Kreditkarten. Bankautomaten. Lotterielose.
Niemand will seine Befriedigung aufschieben. Auf eine Antwort oder auf ein Paket warten. Arbeiten, um sich den finanziellen Erfolg zu verdienen. Sie wollen das Haus und das Auto und die Heirat und die Familie und das Apartment auf Hawaii, und sie wollen es
jetzt.
Nehmen wir als Beispiel mal den sechsundzwanzigjährigen desillusionierten Ex-Highschool-Quarterback und seine künstlich aufgemotzte zweiundzwanzigjährige Ehefrau.
Die beiden flanieren die Champs-Élysées entlang, haben sich bei Versace und Fendi und Gucci eingedeckt und Einkaufstaschen voller Kartons von Lacoste, Cartier und Louis Vuitton in den Händen. Sie können sich das, was sie anhaben, nicht leisten – und das, was sie soeben gekauft haben, erst recht nicht. Sie können sich nicht einmal die Reise nach Paris leisten. Trotzdem sind sie davon überzeugt, dass ihnen dieser Luxus zusteht. Weil sie gut aussehen und unzweifelhaft das Potenzial dazu in sich haben, Großes zu erreichen.
Wenn sie nur wüssten, dass sie in weniger als zehn Jahren mehrfach geschieden sein werden, dass sie in Großraumbüros ohne einen einzigen Sonnenstrahl malochen und immer noch die Kreditkartenrechnungen dieses Urlaubs abbezahlen werden.
Natürlich sind sie nicht die Einzigen, die sich auf der berühmtesten Meile von Paris dem Exzess hingeben. Tausende anderer Konsumenten aus der ganzen Welt tummeln sich hier, um die Geschäfte aufzusuchen, zwischen anderen Fashion Victims über die großen Prachtstraßen zu flanieren, in den schicken Bistros und Cafés zu dinieren und in einem der angesagten Klubs gesehen zu werden.
Makler und Künstler und Finanzberater.
Autoren und Hundetrainer und Geschäftsführer.
Architekten und Redakteure und Inneneinrichter.
Sie alle suchen nach etwas, um sich besonders zu fühlen. Begehrenswert. So als würden sie etwas bedeuten.
Sie alle suchen nach sofortiger Befriedigung.
Na gut, vielleicht nicht alle, aber zumindest die meisten. Genug jedenfalls, um mich ein paar Stunden lang damit zu beschäftigen, so viele dieser fehlgeleiteten Menschen wie möglich davon zu überzeugen, dass der Schlüssel zu einem erfüllteren Schicksal in der Selbstreflexion liegt – und nicht darin, die Leere ihres Lebens mit materiellen Gütern zu füllen.
Langsam fange ich an, wie
Karma
zu klingen.
Ich spreche mit einer zweiundvierzigjährigen zwanghaften Shopperin und erkläre ihr, dass der Besitz von sechs Kreditkarten, von denen vier ausgereizt sind, nicht die beste Idee für die Planung ihrer finanziellen Zukunft ist.
Ich halte einen neunundzwanzigjährigen Hundesitter an, der gerade das Gehalt von zwei Tagen für eine Hose ausgegeben hat, und teile ihm mit, dass Darwin ihn wahrscheinlich aus dem Genpool der fortpflanzungswürdigen Menschen entfernt hätte.
Ich frage ein verheiratetes Paar mit mehr Geld als Integrität, ob ihr Geld nicht besser in die Ernährung obdachloser Kinder investiert wäre als in den eigenen unstillbaren Appetit nach Designermöbeln und importiertem Kaviar.
Ich mache mir nicht viele Freunde.
Die Menschen dazu zu bringen, ihre selbstzerstörerische Konsumhaltung aufzugeben, ist deutlich schwerer, als ich gedacht habe. Natürlich wäre es leichter, wenn
Gesunder Menschenverstand
noch in der Gegend wäre. Leider ist sie während des Vietnamkrieges auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Außerdem ist es nicht sehr hilfreich, dass ich gegen
Extravaganz
und
Eitelkeit
antreten muss.
Die beiden schlendern die Promenade auf der anderen Seite der Champs-Élysées entlang und bearbeiten Touristen und Einheimische, als wären sie Politiker auf Wählerfang.
Eitelkeit
trägt ein hautenges schwarzes Kleid von Donna Karan mit tiefem Ausschnitt und kniehohem Saum, das ihrer Figur mehr als schmeichelt. Eben will sie ein Trio Studentinnen davon überzeugen, dass ihre Garderobe dringend einer Generalüberholung bedarf.
Extravaganz
versucht, die Leute für sich einzunehmen, indem er wie Mick Jagger in Lederhose und Satinhemd geschniegelt einherstolziert.
Um es auf den Punkt zu bringen:
Eitelkeit
ist ein Hypochonder.
Und
Extravaganz
ein Frauenhasser.
Während ich beobachte, wie die beiden durch die Massen gleiten und den Passanten ihre Außen-hui-innen-pfui-Parolen einflüstern, sagt plötzlich eine heisere Stimme hinter mir: »Gar nicht so einfach, wie es aussieht, was?«
Noch ehe ich mich umdrehe, weiß ich, zu wem die Stimme gehört. Ich täusche mich nicht: Auf einer Bank
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